Essen. . Post, Lufthansa, Bahn: In Konzernen, die in Staatshand waren oder sind, verteidigen Gewerkschaften alte Besitzstände. Für beide Seiten geht es ums Ganze.
Dieses Jahr wird im sonst gar nicht so arbeitskampfwütigen Deutschland ein Streik-Rekordjahr. Die Ballung mag Zufall sein, doch eines fällt auf: Besonders heftig geht es bei den ehemaligen (Post, Lufthansa) und aktuellen (Bahn) Staatskonzernen zu. Ihre Tarifauseinandersetzungen mit den Gewerkschaften werden nicht ohne Grund so erbittert geführt.
Jeder dieser Konflikte hat seine Eigenheiten, doch in jedem geht es auch oder vor allem um Grundsatzfragen, die jedem Ex-Monopolisten auf seinem Weg in den freien Markt begegnen. Aus Sicht der Konzerne geht es um den Abbau von Privilegien zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit, aus Sicht der Gewerkschaften um den Erhalt jahrzehntelang erkämpfter Arbeitsbedingungen. Sie eint die Gewissheit, dass sie einmal verlorene Posten nie mehr wieder erobern werden.
Unterschiedlich sind vor allem die Ausgangslagen: Bei der Lufthansa kämpft die Gewerkschaft Cockpit um den bezahlten Vorruhestand der Lufthansa-Piloten ab 55 Jahren. Auch beim Kabinenpersonal geht es um die Altersvorsorge. Dies in einer Zeit, da der Kranich im globalen Preiskampf zunehmend unter Druck gerät und die Pensionslasten steigen. 2014 schrieb der Konzern einen Verlust von 732 Millionen Euro. Der bereits 1997 entstaatlichte Konzern galt lange als Musterbeispiel für gelungene Privatisierung – davon kann heute keine Rede mehr sein.
Mit Eurowings setzt Lufthansa nun auch auf den Langstrecken auf Billigflüge. Teile des Bodenpersonals und das Catering hat Lufthansa bereits ausgegliedert, nun sollen auch junge Piloten nicht mehr zum Haustarif eingestellt werden. Bei jeder dieser Maßnahmen gab und gibt Streit mit Gewerkschaften.
Bei der Post (21 Prozent Staatsanteil) kämpft Verdi gegen die Ausgliederung von 6500 Mitarbeitern zum niedrigeren Logistiktarif, der freilich auch von Verdi ausgehandelt wurde. Laut Management sind die Löhne der Postmitarbeiter teils doppelt so hoch wie bei ihren Wettbewerbern im Paketgeschäft. Deshalb hat sie neue Gesellschaften gegründet und dort mehrheitlich zuvor befristete Post-Mitarbeiter eingestellt, die „freiwillig“ in die nun unbefristete Stelle gewechselt seien. Viele Betroffene klagten jedoch im Nachhinein, ihnen sei der Einkommensverlust nicht gleich klar gewesen, weil er über gekürzte Jahresleistungen und nicht beim Monatsentgelt erreicht werde.
Der große Unterschied zur Lufthansa liegt in der wirtschaftlichen Lage: Die Post erzielte 2014 drei Milliarden Euro Gewinn. Sie profitiert von ihrem einstigen Monopol nach wie vor, hat im Briefgeschäft mit rund 90 Prozent Marktanteil kaum Konkurrenz. Umkämpft ist aber das Paketgeschäft, weshalb die Post hier die Kosten drücken will. Allerdings ist der gelbe Riese trotz der höheren Löhne auch im Paketgeschäft konkurrenzfähig, hat seinen Marktanteil zuletzt sogar ausgebaut – auf 43 Prozent.
Bei einem Dax-Konzern wird das Management jedoch nicht am Jetzt, sondern an der Aussicht auf noch rosigere Zeiten gemessen. Perspektivisch will Vorstandschef Frank Appel daher die Kosten an das Niveau der Konkurrenz anpassen. Für diese Weichenstellung muss der Grundsatzkonflikt mit Verdi ausgetragen werden – inklusive wochenlangem Arbeitskampf.
Diesen Konflikt bereits ausgetragen hat die Telekom (31,9 Prozent Staatsanteil). Sie geriet früher als andere Ex-Monopolisten in die Mühlen des Wettbewerbs, ein Konkurrent nach dem anderen drängte auf den deutschen Markt. 2007 wurden 50 000 Mitarbeiter zu schlechteren Konditionen in eine Servicesparte ausgegliedert. Verdi konnte die Kürzungen nur lindern. Die Bilanz verbesserte sich, 2014 stieg der Gewinn auf 2,9 Milliarden Euro.
Noch ganz in Staatshand ist die Bahn, doch auch ihr Monopol bröckelt. Die Öffnung des Marktes für Fernbusse raubt ihr ebenso Kunden wie private Konkurrenz im Regionalverkehr. Im Rennen um den RRX unterlag die DB Regio und klagte, sie habe mit ihren Personalkosten keine Chance gehabt. Dass sich mit EVG und GDL zwei Gewerkschaften überbieten wollen, kommt der Bahn höchst ungelegen. Ihr Besitzer, der Vater Staat, hat nun mit der Tarifeinheit in den Dauerstreit mit der Lokführergewerkschaft eingegriffen, der GDL droht die Entmachtung. Grundsätzlicher kann ein Konflikt zwischen Gewerkschaft und Staatskonzern nicht sein. Wird die Bahn dereinst doch privatisiert, wird aber auch die große EVG um ihren Einfluss kämpfen müssen. Wie das geht und wie es ausgehen könnte, kann sie bei Lufthansa, Post und Telekom schon mal studieren.