Düsseldorf. . Landesarbeitsminister Guntram Schneider prangert die Tarifflucht an: Sie führe letztlich zu Lohndumping und ruinöser Wettbewerbsverzerrung.

NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) kritisiert die Tarifflucht der Unternehmen. Inzwischen zahlen nur noch 35 Prozent der NRW-Firmen nach Tarif. „Es gibt aber in NRW kein Beispiel dafür, dass ein Unternehmen durch Tarifbindung in Existenzschwierigkeiten gekommen ist“, sagte Schneider der WAZ.

Nach Angaben Schneiders waren im Jahr 2000 noch 74 Prozent der Arbeitnehmer und 56 Prozent der Betriebe in NRW tarifgebunden. Heute arbeiten nur noch 63 Prozent der NRW-Beschäftigten nach Tarif. Während Industriesparten wie Metall, Elektro, Bau und Chemie sowie der Öffentliche Dienst meist Tarifverträge haben, arbeiten die Beschäftigten in Handel (42 Prozent), Gastronomie (41 Prozent) und in Kommunikationsberufen (33 Prozent) zunehmend ohne festen Tarif. Nach Karstadt will jetzt auch die Metro-Tochter Real für neue Mitarbeiter aus der Tarifbindung aussteigen.

Tarifflucht verzerrt den Wettbewerb

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Von Wilfried Goebels

Minister Schneider warnte die Unternehmen vor der Tarifflucht, weil durch die Tarifbindung „gleichartige Wettbewerbsvoraussetzungen bei Einkommen und Arbeitsbedingungen in einer Branche gewährleistet werden“. Zudem sei das Tarifvertragssystem so flexibel, dass in einer Krise „auch auf die spezifischen Bedingungen in einem Unternehmen durch die Tarifvertragsparteien reagiert werden kann“. Auch der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Rainer Dulger, sieht im Flächentarif einen Weg zur friedlichen Konfliktbeilegung.

NRW-Landesschlichterin Anja Weber betonte, dass die Tarifautonomie NRW wirtschaftlich und sozial stark gemacht habe. „Tarifverträge schützen Unternehmer und Beschäftigte vor einem Wettbewerb über die Lohnkosten“, sagte Weber der WAZ

Mit Tarif sind die Löhne höher

Nach Angaben der gewerkschaftlichen Böckler-Stiftung erhalten Beschäftigte im Flächentarif im Schnitt elf Prozent höhere Stundenlöhne als Tariflose. Bei Haustarifen betrug das Plus sogar fast 16 Prozent. Sie erhalten – etwa bei Volkswagen - oft auch mehr Urlaub und Sonderzahlungen. Im Westen ist die Tarifbindung stärker als im Osten. Neben den 35 Prozent der NRW-Betriebe, die nach Tarifvertrag zahlen, orientieren sich weitere 27 Prozent – oft mit einem Haustarif - an einem Branchentarifvertrag. Der Rest der Betriebe ist tariffrei. Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung trifft die Tarifflucht vor allem Schlechtverdiener.