Essen. . Das IGBCE-Modell zur Einhaltung der Klimaziele dürfte Minister Gabriels Strafabgabe verdrängen. Doch die Details sind teuflisch. Es geht ums Geld, ums Klima – und um Gesichtswahrung.
Ist die Kohleabgabe schon ganz oder teils vom Tisch? Und wie soll im Energiesektor sonst die von Berlin gesetzte Menge von 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) bis 2020 eingespart werden, damit Deutschland sein Klimaziel erreicht? Und was würden die Alternativmodelle kosten? Die Kohle- und Klimaunterhändler der Gewerkschaften und der Industrie sowie der Bundesregierung und der Länder feilschen derzeit um jedes Gramm CO2 und um jede Windung der vielen Stellschrauben, die es dafür gibt. Bis zum Koalitionsausschuss in der nächsten Woche will die Politik ein Ergebnis haben.
Noch ist nach Informationen dieser Zeitung kein Durchbruch gelungen, wie vier mit den Verhandlungen vertraute Quellen unabhängig voneinander und entgegen einem anders lautenden Bericht der „Rheinischen Post“ betonten. Danach habe NRW die von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) geplante Strafabgabe für alte Kohlekraftwerke bereits abgeräumt, im Gegenzug würden die Konzerne „freiwillig“ Braunkohleblöcke stillegen. Die favorisierten Kompromissmodelle wechselten „stündlich“, hieß es dagegen aus Branchenkreisen. „Kein Vorschlag ist vom Tisch“, betonte offiziell das Bundeswirtschaftsministerium.
„Kein Vorschlag ist vom Tisch“
Dass vom Ursprungsplan aus der Feder des grünen Staatssekretärs Rainer Baake wenig bis nichts übrig bleibt, zeichnet sich gleichwohl seit Wochen ab. Minister Gabriel hatte mehrfach das Gegenmodell der IGBCE gelobt. Er sei froh, dass die Konzerne endlich mit eigenen Vorschlägen kämen und diese über die Gewerkschaft ins Spiel brächten, sagte Gabriel etwa auf dem Politischen Forum Ruhr in Essen.
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In der Tat fungiert IGBCE-Chef Michael Vassiliadis dieser Tage in Berlin als Chefunterhändler für die Industrie. Seit er sogar den Industrie-Präsidenten Ulrich Grillo für sein Konzept gewann, der beim Thema Energie stets unterschiedlichste Interessen im Blick haben muss, ist Vassiliadis’ Mandat stark wie nie. Sein Modell sieht einen Verzicht auf die Kohleabgabe vor, die nach Meinung der IGBCE Zehntausende Arbeitsplätze vor allem in der Braunkohleindustrie kosten würde. Stattdessen setzt er auf einen beherzteren Ausbau der klimaschonenden Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), bei der Kraftwerke Strom und Wärme gleichzeitig produzieren. Hinzu kommt eine Art Abwrackprämie für alte Heizungsanlagen, um mehr CO2 im Gebäudebereich zu sparen.
Ohne Einschnitte bei der Braunkohle geht es nicht
Allen Beteiligten ist aber offenbar klar, dass es ohne Einschnitte bei der Braunkohle als größtem CO2-Emittenten nicht gehen wird. Dass Konzerne wie RWE „freiwillig“ Kraftwerksblöcke abschalten könnten, halten mit den Verhandlungen vertraute Personen aber für „eine absurde Vorstellung“. Vielmehr kommt an dieser Stelle die bereits tot geglaubte so genannte „Kapazitätsreserve“ wieder ins Spiel: Das Vorhalten abgeschalteter Kraftwerke, die bei Stromengpässen rasch hochgefahren werden könnten, wollen sich die Konzerne bezahlen lassen. Diese Kapazitätsreserve ist deshalb auch Teil des IGBCE-Modells. Wie die FAZ berichtet, wird aktuell diskutiert, abgeschaltete Anlagen zumindest zum Teil und nur für fünf Jahre in eine solche Reserve zu packen, deren Kosten auf den Stromverbraucher umgelegt würden.
An welcher Stellschraube wie stark gedreht wird, ist letztlich entscheidend für einen Kompromiss, der alle Beteiligten ihr Gesicht wahren lässt. So will das Gabriel-Ministerium dem Vernehmen nach eher mehr Kohleblöcke abgeschaltet wissen und eher weniger eigenes Geld in den KWK-Ausbau investieren. Offiziell hieß es aus dem Ministerium zudem, man wolle ohne spürbare Mehrbelastung der Stromkunden auskommen. Das spricht freilich gegen eine „Stand-by-Reserve“, welche die Strompreise erhöhen würde – oder für sehr geringe Kompensationszahlungen an die Konzerne.
Bei den Zahlen hakt es gewaltig
Gerade bei den Zahlen hakt es dem Vernehmen nach noch gewaltig, jede Seite legt eigene Rechnungen vor, die teils weit auseinanderdriften. Man sei nicht einmal einig, wie viel CO2 durch Abschaltung welches Kraftwerks gespart würde.
Weiterer Knackpunkt ist die politische Schadensbegrenzung. Gabriel wird darauf bedacht sein, am Ende nicht als der große Verlierer dazustehen, einen Triumph der NRW-Kohlelobby auf seine Kosten wird er so nicht stehen lassen. Das wissen auch die Sozialdemokraten in NRW, die ihrerseits den grünen Koalitionspartner im Nacken haben.