Berlin/Mülheim. In ganz Deutschland wollen am Dienstag Siemens-Beschäftigte gegen den geplanten Stellenabbau demonstrieren. Allein in NRW sind 1000 Jobs gefährdet.
Bei einem bundesweiten Aktionstag wollen Siemens-Beschäftigte am Dienstag ihrem Unmut über den weiteren Stellenabbau bei dem Elektrokonzern Luft machen. Neben Kundgebungen, Flugblatt- und Unterschriftenaktionen sind auch Betriebsversammlungen an zahlreichen deutschen Siemens-Standorten geplant. Zu dem Aktionstag hatte die IG Metall aufgerufen, die dem Konzern vorwirft, bei Problemen immer wieder reflexartig an der Schraube der Personalkosten zu drehen.
Siemens-Chef Kaeser hält Stellenabbau für unvermeidlich
Schwerpunkte der Aktionen sind die Standorte Duisburg, Nürnberg und Berlin, wo unter anderem Siemens-Gesamtbetriebsratschefin Birgit Steinborn bei einer Kundgebung sprechen wird. In Duisburg werden unter anderem der NRW-IG Metall Bezirkschef Knut Giesler und das Vorstandmitglied der Gewerkschaft Jürgen Kerner erwartet.
Stellenstreichungs-Pläne bei Siemens
- Weltweit sollen weitere 4500 Jobs gestrichen werden, davon 2200 in Deutschland – allein 1600 Jobs davon wiederum in der Stromerzeugungs-Spart.
- Zusammen mit dem radikalen Konzernumbau und weiteren Stellenstreichungen im Energiegeschäft summieren sich die Abbaupläne auf mehr als 13.000 Arbeitsplätze.
- Weil es um verschiedene Maßnahmen an zahlreichen Standorten geht, die obendrein zu unterschiedlichen Zeitpunkten bekanntgegeben wurden, sind die Folgen für die einzelnen Werke schwer aufzuschlüsseln.
- Zu den am stärksten betroffenen Standorten soll Mülheim gehören, wo rund 900 Stellen auf der Streichliste stehen.
- In Berlin soll es um 800 Stellen gehen, in Erlangen um 100 Jobs. Die Stromerzeugung von Siemens hat darüber hinaus Standorte in Offenbach am Main, Erfurt, Essen und Görlitz. In Sachsen dürften 100 Arbeitsplätze zur Disposition stehen.
- Weltweit hat Siemens rund 342.000 Beschäftigte, davon 114.000 in Deutschland. (dpa)
Siemens-Vorstandschef Joe Kaeser hält den geplanten Stellenabbau im Konzern für unvermeidlich. Dieser werde aber "überlegt und sozialverträglich" verwirklicht, sagte Kaeser der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. An diesem Dienstag protestiert die IG Metall mit einem bundesweiten Aktionstag gegen die Streichung von Arbeitsplätzen. Allein in Deutschland sollen insgesamt 5100 wegfallen. Den Abbau von 2200 dieser 5100 Stellen hatte Kaeser erst im Mai bekanntgegeben.
Hintergrund dieser "zweiten Welle" sei die neue Situation im Stromerzeugungsgeschäft. "In Deutschland ist im Wesentlichen vor dem Hintergrund der Energiewende die Nachfrage für große Gaskraftwerke eingebrochen. Und auch im restlichen Europa ist es so, dass durch das geringe Wachstum dieser Länder und eine höhere Energieeffizienz der Bedarf insgesamt sinkt", sagte Kaeser. Deshalb sei der europäische und deutsche Markt für fossile, große Turbinen "nicht mehr existent". Das Unternehmen müsse "entsprechend eingreifen".
"Wir verzichten auf betriebsbedingte Kündigungen."
Siemens werde das aber nicht überhastet tun. "Wir verzichten auf betriebsbedingte Kündigungen. Dazu gibt es eine Vereinbarung mit der Gewerkschaft und dem Betriebsrat, aber das ist auch einfach eine Frage des respektvollen Umganges mit hervorragenden Arbeitskräften", fügte der Vorstandsvorsitzende hinzu. "Es ist wirklich tragisch, dass wir in Deutschland hervorragend ausgebildete Leute haben, die aber jetzt hier keine Zukunftsbasis mehr haben und woanders gebraucht werden."
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Auf die Energiewende und den Trend zu dezentraler Energieversorgung habe man unter anderem mit dem Kauf des Gasturbinen-Geschäfts von Rolls-Royce reagiert. Nun habe Siemens die dafür benötigte "flexible, kompatible Turbinentechnik", die zuvor gefehlt habe. "Damit sind wir ein Komplettanbieter in der Branche wie sonst keiner auf der Welt."
Der Stellenabbau solle gemeinschaftlich mit den Arbeitnehmervertretern bewältigt werden. Die Versetzung deutscher Mitarbeiter auf andere Stellen im Inland werde aber "nicht immer klappen". Kaeser wies auf die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Deutschland von 2,5 Milliarden Euro in diesem Jahr hin. Zudem werde in die deutschen Fabriken 700 Millionen Euro investiert, in ähnlicher Größenordnung werde das auch 2016 so sein. "Daraus entsteht natürlich auch Bedarf", sagte Kaeser. "Die Zahl unserer Mitarbeiter ist weltweit zuletzt gestiegen, in Deutschland zumindest gleich geblieben." Ende März waren es nach Siemens-Angaben weltweit 342 000, rund 2000 mehr als ein Jahr zuvor. In Deutschland blieb die Zahl konstant bei 114 000. (dpa)