Mülheim. . Die Übernahme der Kaiser’s- und Tengelmann-Supermärkte durch Edeka dürfte kaum glatt durchgehen. Ein Nein der Behörde könnte Jobs gefährden.
Die Uhr tickt: Spätestens am 6. März muss das Bundeskartellamt entscheiden, ob und wie es der geplanten Übernahme der Supermarktkette Kaiser’s/Tengelmann durch den Marktführer Edeka zustimmen wird. Von dem Votum hängt nicht nur die Zukunft von 451 Supermarkt-Standorten, sondern auch das Schicksal von rund 16 000 Beschäftigten ab.
Zum Stand des laufenden Verfahrens wollen sich weder die Wettbewerbshüter noch die beteiligten Unternehmen äußern. Doch hinter den Kulissen wird die Befürchtung laut, ein Nein des Kartellamts könne verheerende Folgen für Tausende Arbeitsplätze haben. Viel spricht dafür, dass Behördenchef Andreas Mundt, der stets die Wettbewerbsfahne hochhält, zumindest einer Komplettübernahme von Kaiser’s/Tengelmann durch Edeka nicht zustimmen wird.
Enorme Markt-Konzentration
Bereits im Herbst 2014 hatte das Kartellamt die Ergebnisse einer Sektoruntersuchung veröffentlicht. Danach teilen sich die vier Handelsriesen Edeka, Rewe, Lidl und Aldi 85 Prozent des Lebensmittel-Umsatzes in Deutschland. Der Marktführer Edeka, so die Studie, verfüge über eine doppelt so große Verkaufsfläche und Standortdichte wie der nächst größere Wettbewerber Rewe. Entsprechend groß ist auch die Einkaufsmacht der vier großen Handelskonzerne, die Hersteller von Lebensmitteln bei Verhandlungen über Preise erheblich unter Druck setzen.
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Wenn Edeka Kaiser’s/Tengelmann schlucken darf, würde die Marktmacht der Genossenschaft noch einmal wachsen. Ob das den Wettbewerb weiter bedroht, muss das Kartellamt prüfen. Der Gigant Edeka wird in der Behörde ohnehin nicht nur wegen seiner schieren Größe mit Argwohn beäugt. Ein Brief, den Edeka-Chef Markus Mosa im Oktober 2014 an Politiker schrieb, hat Amtschef Mundt alles andere als amüsiert. Mosa argumentiert in dem Schreiben, dass Verbraucher und Beschäftigte von der geplanten Fusion profitierten und versucht, die Bundestagsabgeordneten auf seine Seite zu ziehen.
Eine Reihe von Szenarien sind denkbar. Rechtzeitig vor dem 6. März wird das Kartellamt Edeka und Kaiser’s/Tengelmann seinen „Entscheidungsentwurf“ zustellen. Sollte die Behörde darin andeuten, dass sie die Fusion in Gänze abzulehnen gedenkt, könnten die Händler dagegen klagen. Unterlägen sie auch vor Gericht, könnten sie als letzten Strohhalm eine Ministererlaubnis beantragen. Allein Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel könnte sich über das Nein des Kartellamts hinwegsetzen und die Fusion genehmigen. Auf diesem Weg hatte sich der Energiekonzern Eon die Essener Ruhrgas einverleibt.
Sollte auch das Vehikel der Ministererlaubnis nicht in Gang kommen, bliebe der Mülheimer Tengelmann-Gruppe nur der Weg zum Insolvenzgericht. Denn nach Informationen dieser Zeitung schreibt das Supermarkt-Geschäft seit rund 15 Jahren rote Zahlen. Denkbar wäre auch eine Einzelverwertung eines jeden Supermarkts. Beide Varianten gelten in den Augen der Eigentümerfamilie Haub als Horrorszenario. Schließlich war das Supermarkt-Geschäft die Keimzelle des traditionsreichen Unternehmens, das man am Ende nicht verramschen will.
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Wenn die Wettbewerbshüter nicht den großen Hammer schwingen, könnten sie Kaiser’s Tengelmann die Auflage machen, einen großen Teil der Supermärkte nicht an Edeka, sondern an andere zu verkaufen. So war es, als sich Tengelmann von seinem Discounter Plus trennte. Einige hundert Filialen musste sie an Rewe abgeben, um den Deal mit der Edeka-Tochter Netto genehmigt zu bekommen.
Viele Märkte nicht rentabel
Das Bangen der 16 000 Beschäftigten von Kaiser’s/Tengelmann wird also auch am 6. März nicht beendet sein. Auch wenn Edeka grünes Licht für die Übernahme bekommen sollte, fragt sich nicht nur die Gewerkschaft Verdi, ob wirklich alle 451 Filialen überleben und alle Mitarbeiter ihre Stellen behalten werden. Ein Großteil der Kaiser’s/Tengelmann-Supermärkte arbeitet nicht rentabel. Durch günstigere Einkaufspreise, die Edeka hat, könnten sie wieder schwarze Zahlen erwirtschaften, heißt es. Auf Gehaltseinbußen müssen sich die Mitarbeiter indes einstellen. Das Mülheimer Familienunternehmen zahlt dem Vernehmen nach nicht nur nach dem Einzelhandelstarifvertrag, sondern legt auch noch etwas drauf.