Brüssel. Zahlreiche Bürger haben bei einer Befragung der EU-Kommission zu einem TTIP-Teilbereich mitgemacht - und aus ihrer Ablehnung keinen Hehl gemacht.

Die Skepsis der Bürger gegenüber dem Investoren-Schutz im geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA ist gewaltig: Eine von der EU-Kommission veranstaltete Befragung wurde zu einer Art Volksabstimmung gegen die normalen Schiedsverfahren, bei denen Investoren Staaten verklagen können. Von fast 150.000 Stellungnahmen waren weit über 90 Prozent dagegen. Die Brüsseler Handelskommissarin Cecilia Malmström will auf die umstrittenen Klauseln nicht ganz verzichten, den Hauptbedenken aber Rechnung tragen.

Die „Investor-Staat-Streitbeilegung“ (nach der englischen Bezeichnung abgekürzt ISDS) ist das umstrittenste Element im geplanten großen Freihandelsvertrag (TTIP) mit den USA. Die Wirtschaft sieht in Schiedsverfahren außerhalb des normalen Rechtsweges ein unverzichtbares Instrument zur Absicherung gegen Enteignungen und andere staatliche Willkür. Kritiker sprechen hingegen von einem Ausverkauf der Demokratie an Unternehmerinteressen. Wegen der großen öffentlichen Aufregung hatte die Kommission als EU-Verhandlungsführer für das Thema im vergangenen Jahr eine Verhandlungsauszeit genommen und zunächst die Konsultation veranstaltet, deren Resultate und erste Bewertung sie jetzt vorstellte.

Für die USA ist ISDS "sehr wichtig"

Das Ergebnis hat zwar keine rechtliche Bindewirkung, ist aber angesichts der Rekord-Beteiligung politisch kaum zu ignorieren. Malmström sagte, auch wenn es sich nicht um ein Referendum handle, sei „die große Skepsis … ein sehr klares Signal“. Sie will deswegen bis zum Frühjahr detaillierte Vorschläge ausarbeiten, um den Investorenschutz missbrauchsfest machen. So sollen die Schiedsgerichte öffentlich tagen und nur Fälle von entschädigungsloser Enteignung verhandeln.

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Das Verhältnis zur staatlichen Justiz müsse präzise geklärt werden. Außerdem soll auch bei ISDS Revision möglich sein. Es sei noch nicht absehbar, ob und wie stark solche Vorstellungen der europäischen Seite ein Hindernis auf dem Weg zu einer Verständigung mit den Amerikanern werden könnten, meinte die Kommissarin. Für die USA sei ISDS erklärtermaßen „sehr wichtig“.

Eine Gefahr für die Demokratie

Der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, der SPD-Europa-Abgeordnete Bernd Lange, sieht sich durch die Befragung in seiner grundsätzlichen Skepsis bestätigt. „Eine überwältigende Mehrheit hat sich gegen undemokratische Geheimgerichte ausgesprochen. Diesen Ausdruck weitverbreiteter Skepsis und Ablehnung darf und kann die EU-Kommission nicht einfach unter den Teppich kehren." Investitionsschutz sei nötig. Dafür sei aber eine Streitbeilegung zwischen den beteiligten Staaten oder vor den normalen Gerichten zweckmäßig. Ein Verfahren zwischen Firmen und Regierungen komme nur mit „weiteren Reformen des gegenwärtigen Modells“ in Frage.

Die Bürgerinitiative Stop TTIP erklärte: „Das Ergebnis der Konsultation spricht eine deutliche Sprache: Diese Schiedsverfahren sind eine Gefahr für die Demokratie und in Europa nicht erwünscht.“ Demgegenüber forderte der Wirtschaftsdachverband Business Europe für TTIP ein „Investitionskapitel, das ISDS einschließt“.