Essen.. Europäische Union und USA verhandeln im Geheimen über die Abschaffung von Handelshemmnissen. Verbraucherschützer befürchten niedrigere Umwelt- und Gesundheitsstandards durch das geplante Freihandelsabkommen. Auch in der deutschen Bevölkerung wächst offenbar die Skepsis gegenüber “TTIP“.
Die Zustimmung zum geplanten Freihandelsabkommen TTIP zwischen der Europäischen Union und den USA nimmt ab. Bei einer aktuellen Umfrage im Auftrag der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch sprachen sich 48 Prozent für das umstrittene Vertragswerk aus. Im Frühjahr waren es noch 55 Prozent gewesen. „TTIP hat keine Mehrheit mehr in der Bevölkerung“, sagte Foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode gegenüber unserer Redaktion, „je mehr sich die Menschen damit beschäftigen, umso unwohler wird vielen.“
Nur wenige wissen auf Anhieb, wofür die Abkürzung TTIP steht. Das „Transatlantic Trade and Investment Partnership“, zu Deutsch „Transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen“, soll mit den USA und der Europäischen Union für den global stärksten Wirtschaftsraum den Handel erleichtern und damit für mehr Wachstum und Beschäftigung auf beiden Seiten des Atlantiks sorgen.
Sensible Reaktion auf Meldungen über "Chlorhühnchen"
Die Industrie und die meisten Politiker sind dafür, Verbraucher- und Umweltschützer in Deutschland geschlossen dagegen. Ihre vielfältigen Bedenken scheinen sich jetzt auch in der Stimmung der Bevölkerung niederzuschlagen, die sensibel reagiert auf Meldungen über „Chlorhühnchen“ und Fracking aus den USA, die TTIP angeblich nach Europa bringt. Das sind die wichtigsten Punkte.
In einer Freihandelszone fallen die gegenseitigen Zölle weg. Insgesamt beträgt die Entlastung 25 Milliarden Euro. Zwar sind die Zölle bereits niedrig und liegen zumeist unter drei Prozent des Warenwerts. Daimler etwa führte jedoch erst vor zwei Wochen die hohen Importzölle in den USA als Grund dafür an, die Produktion des Transporters Sprinter von Düsseldorf in die USA zu verlagern. „Freihandelsabkommen sichert Arbeitsplätze in NRW“, war die politische Reaktion von FDP-Landeschef Christian Lindner.
Positive Effekte durch Abbau von Handelshürden
Den größten Teil des positiven TTIP-Effekts (laut EU-Schätzung 275 Milliarden Euro jährlich) verspricht man sich vom Abbau der Hürden hinter der Grenze. Der Fachbegriff „regulatorische Konvergenz“ meint die Annäherung aller Vorschriften und Auflagen, mit denen der Gesetzgeber beiderseits des Atlantiks Produkte und Dienstleistungen bedacht hat. Sie müssten so angepasst oder flexibilisiert werden, dass sie den Austausch der entsprechenden Wirtschaftsgüter nicht mehr behindern. Ist es in den USA erlaubt, Hühnchen nach dem Schlachten mit Chlorwasser zu entkeimen, dann dürften sie auch in der EU verkauft werden.
Über den volkswirtschaftlichen Effekt wird gestritten, da es keine Beispiele gibt. Die positiven Erwartungen reichen bis zu 545 Euro zusätzlichem Einkommen für jeden Haushalt im Jahr (EU) und 160 000 neuen Arbeitsplätzen in Deutschland (das der Wirtschaft nahestehende Ifo-Institut). Das Wirtschaftswachstum soll durch TTIP jährlich einige Zehntel höher liegen, jedoch nicht überall. Die Landwirte in der EU würden zu den Verlierern zählen, so das Ifo-Institut.
FreihandelsabkommenAbkommen ist auch mit Risiken verbunden
TTIP als völkerrechtlich verbindlicher Vertrag steht über EU-Recht. „Er schränkt die Regulierungsautonomie der EU ein“, sagt Foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode, der für einen sofortigen Stopp der Verhandlungen plädiert. Umweltschutzorganisationen fürchten, das Abkommen würde beispielsweise der umstrittenen, in den USA erlaubten Fracking-Technik zur Öl- und Gasgewinnung in Europa Tür und Tor öffnen.
Nach amerikanischer Auffassung soll alles erlaubt sein, was nicht nachgewiesenermaßen schädlich ist. Die Europäer verlangen hingegen vorab den Nachweis der Unbedenklichkeit und reagieren bei einem Anzeichen von Gefährdung mit Verboten. Das gilt bei der Lebensmittel-Sicherheit, etwa dem zum Einsatz der Gentechnik auf dem Acker, oder beim Verbraucherschutz: In der Europäischen Union dürfen in Kosmetika über 1000 Chemikalien nicht verwendet werden. In den USA sind es lediglich elf.