Essen. . Baden-Württemberg wirbt mit „Wir können alles außer Hochdeutsch“. 2015 will Wirtschaftsförderer Rasmus Beck einen Slogan für das Ruhrgebiet finden.

In China sind nicht nur Borussia Dortmund und Schalke 04 bekannt wie gelb-schwarze und blau-weiße Hunde. „Die Chinesen interessieren sich für das gesamte Ruhrgebiet und seinen Strukturwandel“, hat Rasmus C. Beck bei einer Investorenreise in das Reich der Mitte festgestellt. Umso mehr verwundert den Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr (WMR), dass sich Wirtschaftskraft und Charme des Reviers anderswo noch immer nicht so recht herumgesprochen haben. Das, fordert er, müsse dringend geändert werden.

Seit gut einem Jahr steht Beck nun an der Spitze der Wirtschaftsförderung für das Ruhrgebiet. In dieser Zeit hat er die Tochtergesellschaft des Regionalverbands Ruhr (RVR) umgebaut und ihr auch eine Internationalisierungsstrategie verordnet. Denn auf dem Wachstumsmarkt China sieht Beck gewaltige Chancen für Unternehmen aus der Region. Allein wegen der hohen Feinstaubbelastung in den großen chinesischen Städten sei dort deutsche Expertise etwa für Filtertechnik, Gebäudebau und -Management gefragt.

Chancen in China, Polen und der Türkei

Im kommenden Jahr will der Wirtschaftsförderer im Auftrag der Kommunen Polen und die Türkei bereisen, um dort Chancen für hiesige Firmen auszuloten. Beck kann sich vorstellen, dass er und sein Team Auslandsreisen für alle seine 53 Mitglieds-Kommunen vorbereitet und als Dienstleistung organisiert. „Ich appelliere an die Städte: Nutzt unser Know-how.“, sagt er.

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Mit diesem Aufruf benennt Beck zugleich ein Dilemma der Wirtschaftsförderung in NRW: Sie ist stark zerklüftet. Auf Landesebene ist NRW.Invest Ansprechpartner für ansiedlungswillige Unternehmen. In den Städten sind es die kommunalen Wirtschaftsförderer. Dazwischen ist die vergleichsweise kleine WMR mit gut 20 Mitarbeitern und einem Jahresbudget von 2,4 Millionen Euro angesiedelt.

Mehr Kompetenzen für die WMR

Der Geschäftsführer fordert nun mehr Kompetenzen für die WMR: „Wir wollen erster Ansprechpartner für Unternehmen in der Region sein“, sagt Beck und stellt klar, dass er seinen kommunalen Kollegen nicht ins Handwerk pfuschen will. „Kein Wirtschaftsförderer vor Ort soll seine Aufgaben verlieren. Sie sollen aber mit uns kooperieren.“ Die Knappheit von Gewerbeflächen im Revier mache eine Zusammenarbeit ebenso nötig wie der Trend, dass sich Unternehmen von außen in der verkehrsgünstigen Region, aber nicht in einer bestimmten Stadt ansiedeln wollen.

Das kommende Jahr will Beck zudem nutzen, um die Ruhrgebiets-Unternehmen stärker in die Arbeit der WMR einzubinden. Auch, um die „Zersplitterung der Akteure“ ein Stück weit einzudämmen. Denn auch der Initiativkreis Ruhr (IR) versteht sich als Wirtschaftsförderer. Neben Kammern und Unternehmensverbänden sitzt der IR zwar im Beirat der Ruhrgebiets-Wirtschaftsförderung. „Ein engerer Draht direkt zu den Unternehmen wäre aber wünschenswert“, sagt Beck.

Pendant zu „Lederhose & Laptop“

Nach seinem ersten Jahr an der Spitze der WMR ist Beck davon überzeugt, dass es „viel Energie im Ruhrgebiet“ gebe. Die Antwort auf eine wichtige Frage hat er aber noch nicht gefunden. Analog zum Slogan des Wirtschaftsstandorts Bayern „Lederhose & Laptop“ fehlt nach seiner Ansicht die Zukunftsvision für das Revier. Der Geschäftsführer: „Wir haben das Glückauf, aber was ist unser Laptop? Die Region wird diese Frage 2015 beantworten.“

Die Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr GmbH ist zum 1. Dezember von Mülheim nach Essen an die Kronprinzenstraße 6 – ganz in die Nähe der Mutter RVR – umgezogen

Zukunft im Ruhrgebiet?

Gero Niggemeier (25) studiert Wirtschaftswissenschaften in Witten:
Gero Niggemeier (25) studiert Wirtschaftswissenschaften in Witten: "Nach dem Studium will ich erstmal die Welt kennen lernen. Es gibt im Ausland so viele Möglichkeiten.Später, wenn es häuslich wird, komme ich zurück. Ob es dann aber das Ruhrgebiet wird, weiß ich nicht, denn meine Wurzeln liegen nicht hier. Das hängt dann davon ab, wo ich eine Stelle bekomme." © Florentine Dame/ WAZ FotoPool
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Wolfgang Raabe (29), hat Physik studiert, arbeitet bei RWE: "Nach meinem Studium in Münster bin ich nach Essen gegangen. Zunächst kannte ich Essen nicht und hatte noch dieses Bild von Kohlewolken im Kopf. Längst weiß ich: Es ist eine attraktive Stadt mit gutem kulturellen Angebot. So lange ich einen spannenden Job habe, gibt es für mich keinen Grund wegzugehen." © Florentine Dame/ WAZ FotoPool
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Rafael Smidecki (31), Produktmanager aus Essen, hat an der FH-Bochum Kommunikationselektronik studiert: "Weil meine Familie hierher kommt, bin ich froh im Ruhrgebiet zu arbeiten. Nach dem Studium habe ich mich deutschlandweit beworben, denn man will ja einen attraktiven Arbeitgeber und Job, der zu einem passt. Aber zum Glück gibt es ja hier auch hier viele interessante Firmen." © Florentine Dame/ WAZ FotoPool
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