Bad Hersfeld/Leipzig. Der Weihnachtsstreik beim Online-Versandhändler Amazon soll nach einer kurzen Sonntagspause von Montag an weitergehen.

Vergangene Woche hatten sich nach ihren Angaben 2400 Beschäftigte am Streik beteiligt. Amazon sprach von 2000 Teilnehmern. In den insgesamt neun deutschen Amazon-Verteilzentren arbeiten nach Unternehmensangaben in der Vorweihnachtszeit rund 20 000 Menschen. Das Ende des Ausstands ist für den Nachmittag am Heiligabend geplant. Die Streikwelle hatte am vorigen Montag (15. Dezember) begonnen.

In dem seit 2013 laufenden Konflikt will Verdi erzwingen, dass Amazon künftig den Einzelhandelstarif statt des niedrigeren Logistiktarifs zahlt. Amazon lehnt das strikt ab. Der US-Konzern sieht sich selbst als Logistiker. Die Bezahlung der Mitarbeiter in den deutschen Versandlagern liege bereits am oberen Ende dessen, was in der Logistikbranche üblich sei. Eine Einigung ist weiter nicht in Sicht.

Verdi hatte zuletzt immer wieder zu Ausständen aufgerufen. Amazon führt keine Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft. "Wir bevorzugen die direkte Kommunikation mit den Mitarbeitern und den gewählten Betriebsräten an den Standorten", sagte eine Firmensprecherin.

Verdi-Klage vor Verwaltungsgericht gescheitert

Die Streikpause für Sonntag hatte Verdi ausgerufen, nachdem die Gewerkschaft selbst mit Klagen bei Verwaltungsgerichten keinen Betriebsstopp für diesen Tag in den Verteilzentren Bad Hersfeld und Leipzig hatte durchsetzen können. Nach Auffassung von Verdi wären die zuständigen Behörden eigentlich verpflichtet gewesen, ein Beschäftigungsverbot für die beiden Amazon-Standorte am Sonntag auszusprechen. Verwaltungsklagen hätten nämlich aufschiebende Wirkung, erklärte Verdi-Handelsexperte Bernhard Schiederig.

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Die Gewerkschaft beruft sich auf den Schutz der Sonntagsruhe. Erst Ende November hatte das Bundesverwaltungsgericht der Ausweitung der Sonntagsarbeit mit einer Entscheidung Grenzen gesetzt.

Die Leipziger Richter sahen zum Beispiel keine Notwendigkeit für sonntags geöffnete Videotheken, Bibliotheken, Callcenter oder Lotto-Annahmestellen. Damit erklärten sie wesentliche Teile einer Verordnung des Landes Hessen für unwirksam, die 2011 weitreichende Ausnahmen für den arbeitsfreien Sonntag festgelegt hatte.

Schiederig sprach von einer "Arbeitsverweigerung" der Behörden in Hessen und Sachsen, weil diese die Sonntagsarbeit bei Amazon nicht gestoppt hätten. Damit werde die Pflicht staatlicher Stellen verletzt, sich bei Tarifkonflikten neutral zu verhalten.

In Bad Hersfeld und Leipzig arbeiten jeweils mehrere hundert Mitarbeiter mit Sondergenehmigungen auf freiwilliger Basis auch am Sonntag. Sie leisteten am Sonntag regulär ihre Schicht ab, wie eine Unternehmenssprecherin bestätigte. Die Sonntagsarbeit in der Vorweihnachtszeit an mehreren Standorten werde seit Jahren langfristig beantragt und genehmigt, erklärte sie. An den übrigen Amazon-Standorten in Deutschland ruhe die Arbeit sonntags.

Trotz Streiks keine Lieferverzögerungen

Die Sprecherin betonte erneut, dass es trotz des Streiks keine Lieferverzögerungen gebe. Die rund 2000 Streikteilnehmer würden durch die "engagiert arbeitende überwiegende Mehrheit" der übrigen Beschäftigten ausgeglichen. Außerdem könne Amazon auf sein Netzwerk von 28 Zentren in ganz Europa zurückgreifen.

Auf Aussagen von Verdi-Mitgliedern, wonach Streikteilnehmer und deren Autos fotografiert worden seien, entgegnete die Amazon-Sprecherin, dass es selbstverständlich keine disziplinarischen Maßnahmen gegen Streikteilnehmer gebe: "Wir respektieren, dass Menschen streiken, aber auch, dass Menschen nicht streiken." Zu Mehrkosten des Konzerns durch den langen Ausstand wollte Amazon keine Angaben machen. (dpa)