Hamburg/Essen. Der Coffee to go liegt voll im Trend. Nun wollen Verbraucherschützer gegen Einwegbecher-Müllberge ankämpfen. Kaffeeverband verteidigt den Pappbecher.
Noch schnell beim Bahnhofsbäcker vorbei, einen Kaffee auf die Hand und dann weiter zum Gleis. Oder den leckeren Latte Macchiato, bevor es den lieben langen Tag nur noch die ungenießbare Plörre im Büro gibt. Oder einen Cappuccino beim Treffen mit den Kommilitonen zwischen zwei Vorlesungen. Oder oder oder ...
Wo der Kaffeetrinker seinen Coffee to go auch zu sich nimmt, er bekommt ihn meistens im Pappbecher. Und der landet später im Müll. Mit der Kampagne „Der Becher soll gehen“ will die Verbraucherzentrale Hamburg nun gegen die Pappbecher-Müllberge ankämpfen und die Kaffeetrinker dazu motivieren, auf Mehrweggefäße umzusteigen.
Pappbecher landen im Gebüsch
80 Kaffeebecher nutzt jeder Deutsche durchschnittlich pro Jahr, rechnen die Hamburger Verbraucherschützer vor. Demnach landen in der Bundesrepublik Jahr für Jahr 6,4 Milliarden Coffee-to-go-Becher, im Regelfall ein Materialmix aus Pappe und Kunststoff, samt Plastikdeckel auf dem Müll. Oder schlimmer: achtlos weggeworfen im Gebüsch. „Die Industrie argumentiert zwar, dass die Becher recycelbar sind, aber eigentlich gibt es kein richtiges System“, bemängelt Dirk Petersen, Umweltexperte der Hamburger Verbraucherzentrale. „Sie werden verbrannt, statt dem Recycling zugeführt.“
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Der Deutsche Kaffeeverband teilt die Kritik der Verbraucherzentrale am Pappbecher nicht. Im Gegenteil, er verteidigt ihn und widerspricht den Berechnungen der Verbraucherzentrale: Den jährlichen Pro-Kopf-Verbaruch schätzt er auf 23 statt 80 Einwegbecher. In einer Stellungnahme, die der Kaffeeverband auf seiner Homepage veröffentlicht hat, spricht er dem Pappbecher zudem eine bessere Ökobilanz zu als den Mehrweg-Alternativen.
So müssten beispielsweise die Anzahl der Nutzungen eines Mehrwegbechers, Ressourcenaufwand bei der Herstellung, Reinigungsfrequenz, Energieverbrauch des Geschirrspülers sowie Wasser- und Energieverbrauch beim Abwasch berücksichtigt werden. „Aus Sicht des Deutschen Kaffeeverbandes können somit ökologische und auch hygienische Aspekte gute Gründe für die Nutzung eines Einwegbechers darstellen“, heißt es in der Stellungnahme.
Nutzen von Mehrwegbechern ad absurdum geführt
Auch die Händler, die den Coffee to go im Angebot haben, sehen im Pappbecher Vorteile. Tchibo zum Beispiel biete seinen Kunden zwar Mehrwegbecher im Dauersortiment an, die Nachfrage sei aber im Vergleich zum Kaffee im Pappbecher relativ gering. Bislang wird der Nutzen dieser Mehrwegbecher in den Filialen allerdings völlig zunichtegemacht: Anstatt die Becher direkt zu befüllen, landet der Kaffee zunächst im Pappbecher und wird dann in den Mehrwegbecher umgefüllt.
Die Praxis habe hygienische Gründe. „Wir wollen Kreuzkontaminationen vermeiden“, sagt Stefan Dierks, Nachhaltigkeitsmanager bei Tchibo, und erklärt: „Wenn zum Beispiel ein Kunde Grippe hat und sein Becher die Maschinen berührt, soll sich der nächste Kunde ja nicht anstecken, weil sein Becher die Maschine berührt hat.“
Eigene Becher mitbringen ausdrücklich erwünscht
In den Hochschulcaféterien, die das Akademische Förderungswerk Bochum (Akafö) unter anderem an der Ruhr-Universität Bochum betreibt, ist das Problem anders gelagert. Eigene Becher zu befüllen, sei dort ausdrücklich gewünscht.
Aufpreise von 20 bis 25 Cent pro Einwegbecher, Spülmöglichkeiten für eigene Tassen in den Caféterien, Sammel-Kaffeepötten zum Semesterstart oder sogenannte KeepCups, die Mehrwegbecher, die die Ruhr-Uni verkauft - Akafö und Uni wollen Anreize schaffen, auf Mehrweg umzusteigen. Die meisten Studierenden griffen dennoch zur Einweg-Alternative. Mehr als eine halbe Million Pappbecher wurden im Jahr 2012 allein an der Ruhr-Uni verbraucht. „Wir wären glücklicher, wenn wir gar keine Pappbecher mehr bräuchten“, sagt Akafö-Sprecher Ralf Weber.
Nachlass auf Kaffee im eigenen Becher
Auch die Kaffee-Kette Starbucks will zu umweltfreundlichen Handeln animieren. 30 Cent Rabatt auf jedes Heißgetränk bekommen Kunden, die ihren eigenen Becher mitbringen. Auf Anfrage sagt eine Sprecherin, dass Starbucks bis 2015 in allen Filialen, in denen die Abfallbeseitigung kontrolliert werden kann, Recyclingoptionen bereitstellen und 25 Prozent der Getränke in wiederverwendbaren Behältern anbieten will.
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Ein Blick auf die Hände der Kaffeetrinker am Essener Hauptbahnhof jedoch zeigt: Gegen die Pappbecher-Übermacht scheinen die Mehrweg-Alternativen bislang machtlos. Diejenigen, die ihren Kaffee unterwegs trinken, denken oft gar nicht darüber nach, ob ihr Becher der Umwelt schaden könnte. So wie Leticia Soajery-Heyn (28). „Ich trinke regelmäßig Kaffee unterwegs, da sollte man eigentlich einen Mehrwegbecher nehmen“, sagt sie. „Aber wenn man nichts dabei hat, bleibt einem ja gar nichts anderes übrig.“
"Wir sind eben alle Sünder"
Angesprochen auf seinen Pappbecher, überlegt auch Ramon Gonzales (60), zukünftig auf eine umweltfreundliche, wiederverwendbare Alternative umzusteigen. „Das Problem ist einfach, dass wir oft viel zu bequem sind“, sagt er. „Wir sind eben alle Sünder.“ Fast wie eine Ausnahme wirkt da Mehrwegbecher-Nutzerin Laura Bode. Zwar findet auch sie ihren Mehrwegbecher eigentlich eher unpraktisch. „Es ist schon ein bisschen lästig, ihn immer mit sich rumzutragen“, sagt die 56-Jährige. Aber der Umwelt zuliebe nehme sie das Unpraktische in Kauf. „Ich kaufe mir jeden Mittag einen Kaffee und nehme den Becher immer mit.“