Essen. Zwei Monate vor der Bundestagswahl bewahrt die Kurzarbeit den deutschen Arbeitsmarkt vor einem Einbruch. Während die Wirtschaft im Stundentakt besorgniserregende Geschäftszahlen meldet, wuchs die Erwerbslosenquote in NRW im Juli laut Bundesagentur „moderat und saisontypisch”.
Der NRW-Arbeitsmarkt
Danach waren offiziell 830.085 Menschen zwischen Rhein und Weser ohne Job. Die Arbeitslosenquote wuchs im Juli gegenüber dem Vormonat um zwei Prozentpunkte auf 9,2 Prozent. Im Jahresvergleich betrug der Anstieg gut acht Prozent.
Während die Arbeitslosigkeit bei älteren Menschen ab 55 Jahren leicht sank, stieg sie bei den bis zu 25-Jährigen deutlich an – im Vergleich zum Juni um rund ein Fünftel.
„Die Situation verschärft sich”, sagt Werner Marquis von der Düsseldorfer Regionaldirektion der Arbeitsagentur. Rein rechnerisch entfallen rund 90 Prozent des Anstiegs der Arbeitslosenquote in NRW auf junge Leute: 101 520 Erwerbslose sind unter 25 Jahre. „Erfahrungsgemäß baut sich das aber wieder schnell ab”, sagt Marquis. Nach seinen Angaben beziehen die Jüngeren im Schnitt 75 Tage Arbeitslosengeld I, die Älteren indes 160 Tage lang.
Der Faktor Kurzarbeit
Bundesagentur, Politiker und Experten sind sich einig, dass die Kurzarbeit in vielen Unternehmen den Arbeitsmarkt bisher vor einer größeren Talfahrt bewahrt. Thorsten Polleit von Barclays Capital sagt: „Es ist aber zu befürchten, dass das nur ein Aufschieben ist.“ Der Volkswirt will nicht ausschließen, dass die Arbeitslosigkeit nach der Bundestagswahl spürbar steigt.
Laut Bundesagentur meldeten seit Beginn der Wirtschaftskrise im Oktober 2008 bis Juni 2009 deutschlandweit 23.670 Betriebe für knapp 630.000 Beschäftigte Kurzarbeit an. Im Juli hätten die Anmeldungen nachgelassen. Experten erwarten, dass es im Spätherbst zu einer Entlassungswelle kommen könnte.
Die Risiken
Die deutschen Maschinenbauer – eine wichtige Stütze der deutschen Wirtschaft – klagen über ihre schwerste Krise seit über 60 Jahren. Im Juni brachen ihre Aufträge zum neunten Mal in Folge ein. Die Bestellungen sanken um 46 Prozent, so der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Auch im gesamten ersten Halbjahr liege das Minus nun auf dieser Höhe. „Es ist ganz schwer abzuschätzen, wann es bergauf geht”, sagte VDMA-Hauptgeschäftsführer Hannes Hesse.
Das hat Folgen. So will der Bochumer Maschinenbauer GEA wegen der anhaltenden Auftragsflaute nun 1300 statt 800 Arbeitsplätze abbauen.
Die roten Zahlen
Trotz der vielen Prognosen, die ein Ende der Krise prophezeien, häufen sich die Hiobsbotschaften:
- Der Keramikhersteller Villeroy & Boch meldet im ersten Halbjahr einen Umsatzeinbruch von fast 20 Prozent.
- Der weltweite Branchenführer der Chemieindustrie BASF musste zwischen April und Juni einen massiven Gewinneinbruch von knapp 74 Prozent verkraften, sieht den Abschwung nun aber gestoppt.
- Trübe Stimmung auch bei Siemens: Der operative Gewinn sank in den letzten drei Monaten in den Kernsparten Industrie, Energie und Medizintechnik verglichen mit dem Vorjahr um gut ein Fünftel. Der Auftragseingang ging massiv zurück.
- Die staatliche Abwrackprämie hat den Autobauer Volkswagen vor einem noch größeren Gewinneinbruch im zweiten Quartal bewahrt. VW halbierte seinen Gewinn.
- Der Modehersteller Hugo Boss machte im zweiten Quartal 15,9 Millionen Euro Miese.