Essen. Immer mehr Menschen erkranken am Burnout-Syndrom – zu viel Stress! Das hat die WAZ gemeldet und die Leser aufgerufen, ihre Erfahrungen mit Stress und ihre Strategien dagegen zu schildern. Die klare Tendenz der zahlreichen Zuschriften: Den meisten krankhaften Stress verursacht der Job.
So geht es nicht weiter
Oh ja, ich kenne Stress. Ich habe 37 Jahre in einer Großküche gearbeitet. Da muss alles schnell gehen, jeder ist in Hektik. Nach neun Stunden endlich Feierabend, aber dann ging es zu Hause weiter: Der Haushalt musste gemacht werden, die Kinder warteten mit den Schularbeiten. Mein Tag begann um 4.30 Uhr, oft war ich erst um Mitternacht im Bett. Ich hatte drei Bandscheibenvorfälle, war Zusammenbrüchen nahe. Erst als mein Ehemann ganz plötzlich starb, kam in mir der Gedanke hoch: So geht es nicht weiter!
Ich lebe jetzt bewusster, habe gelernt, auch mal ,Nein' zu sagen, an mich zu denken und nach dem Spruch zu leben: Wer einen Berg erklimmen will, tut das nicht in Sprüngen, sondern schrittweise. Es geht mir jetzt seit fünf Jahren besser. U. Hypkemeier, Recklinghausen
Nach der Arbeit geweint
Jahrelang habe ich mich durch die 40-Stunden-Woche als Krankenschwester gequält. Wenn ich freitagnachmittags auf der B1 im Stau nach Hause stand, habe ich oft geweint, da ich körperlich und seelisch ausgepumpt war. Ich bin sehr krank geworden: Bandscheibenvorfälle, Existenzängste, Depressionen.
Ich machte eine Umschulung zur Logopädin. Heute kann ich meine Kräfte einschätzen. Meine Lösung: Nur vier Tage pro Woche arbeiten. Aber daraus ergibt sich neuer Stress: Nur wenig mehr Geld als Hartz IV und Neid der Kollegen, die nur den freien Tag sehen. Ivonne Grabosch
Kein Lob vom Chef
Seit März bin ich wegen Burnout krankgeschrieben. Anfangs dachte ich: nur mal ein paar Tage Auszeit. Aber Pustekuchen. Es wird schlimmer mit den Schlafstörungen, mit der innerlichen Unruhe. Ich fühle mich wie ein Wrack. Der Experte sagt: „Chefs sollten viel mehr loben.”
Das habe ich mal meinen Chefs gesagt, da hieß es dann nur lakonisch: „Sollen wir mal 'ne Tafel Schokolade verteilen?!” Habe im Moment mein Lachen verloren, fühle mich wie versteinert. Auf mein Lachen und meine Fröhlichkeit freue ich mich schon wieder sehr. Ulrike Wolf-Majewski
Druck in der Job-Agentur
Ich betreue in einer Job-Agentur Langzeitarbeitslose. Plötzlich habe ich keine Lust mehr, den PC einzuschalten, zu telefonieren, neue Fälle anzupacken. Ich bekomme Angst, Fehler zu machen und sehne mich nur nach Pause oder Dienstschluss. Privat bleibt auch viel liegen, mittwochs zum Sport muss ich mich überwinden.
Meine Erklärung dafür: Es gibt Zielvereinbarungen und Quotenvorgaben, mit denen indirekt Druck auf die Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrags ausgeübt wird. Die Anerkennung und der Zuspruch vieler Kunden für unsere Arbeit tun gut – sie versanden aber unter dem Druck. Lothar Puschmann, Oberhausen
Man ist damit nicht allein
Es tut gut zu lesen, dass ich nicht allein das Problem habe. Wobei ich niemandem diese Ängste wünsche. Meine Firma hatte ihr Hamburger Büro geschlossen, ich bin in die Dortmunder Zentrale gekommen. Hier merkte ich schnell, dass wir Mitarbeiter nur zu funktionieren hatten. Statt Besprechungen gab es hier Mails. Einige Teams untereinander sind sich nicht grün. Hier wird gelästert. Die Vorgesetzten kennen meinen Geburtstag nicht einmal. Ich habe Existenzängste. Vielleicht wird unsere Firma 2009 nicht überleben. Ich bin seit 34 Jahren dort. Was mache ich mit 52 ohne Job in Dortmund?
Mein Rat: Unbedingt mit Freunden und Familie reden. Es haben viel mehr Menschen einen Burnout, als man denkt. Nur spricht man nicht darüber. Dabei helfen reden und zuhören. Dann weiß man, dass man nicht allein damit ist. Name ist der Redaktion bekannt
Nicht nur Harmonie suchen
Meine Impulse gegen Stress: 1. Nach dem Aufstehen singen. Die Melodie begleitet uns den ganzen Tag. 2. Sich von keinem Zeit stehlen lassen – ob von Freunden, Familie, Nachbarn, Kollegen. 3. Nicht ständig Harmonie suchen. Auch egoistisch sein. 4. Sich Respekt verschaffen. 5. Viele soziale Kontakte pflegen, ein Hobby haben. Martha Schmidt, Velbert
Kein Stress ohne TV
Da ich dem Arbeitsstress nicht immer entgehen kann, habe ich einen Stresskiller in der Freizeit: Seit elf Jahren lebe ich ohne Fernseher. Also habe ich nicht den Stress, um 20.15 Uhr zu Hause sein zu müssen, um einen Filmanfang nicht zu verpassen. Sandra Knop, Mülheim