Statt Ruhm und Ehre erlebten die Astronauten der Apollo-Missionen Depressionen und Verschwörungstheorien.
Zwölf Menschen waren auf dem Mond. Sie verbrachten ein paar Stunden auf einem benachbarten Himmelskörper, und danach war in ihrem Leben nichts mehr so, wie es mal war. Einer wurde Prediger, ein anderer malte Bilder, immer das gleiche Motiv, ein Astronaut, der das Universum zu umarmen scheint. Einer vernahm im Meer der Stille die Stimme Gottes, die ihm befahl, die Nasa zu verlassen, und einer schrieb fortan Gedichte. Fast alle versanken in tiefe Depressionen, und einer ertränkte die Trauer im Alkohol. Es gab Scheidungen, Zerwürfnisse mit den Freunden und immer gleich klingende Klagen über endlose Langeweile und schmerzvolle Kollisionen mit einer Welt, die klein und eng scheint. Und von Wesen wie Bart Sibrel bevölkert wird.
Einer hält die Geschichte für gigantischen Schwindel
Bart Sibrel hat ein besonderes Verhältnis zur Mondfahrt. Er hält die ganze Geschichte für einen gigantischen Schwindel. Bart Sibrel steht damit keinesfalls allein da. Jeder vierte Amerikaner glaubt fest daran, dass die Nasa ihre Apollo-Missionen nicht auf dem Mond, sondern in der Wüste von Nevada inszenierte, und überhaupt war das mit den technischen Möglichkeiten damals, als ein Computer kaum mehr leistete als ein Handy heute, natürlich alles völlig unmöglich.
Im Internet kursieren deshalb unzählige Verschwörungstheorien, garniert mit garantiert wasserdichten Beweisen. Die Fahne, die Neil Armstrong auf den Mond pflanzte. weht danach in die falsche Richtung. Die Schatten verlaufen nicht parallel wie im Sonnenlicht, sondern wie von einem Scheinwerfer gezogen. Die Fotos sind manipuliert, und im Hintergrund sieht man immer dieselben Hügel – Gründe genug für Bart Sibrel und seine Gemeinde, den Mondfahrern das ultimative Geständnis zu entlocken.
"Wir waren gemeinsam als erste auf dem Mond"
Wo immer also Neil Armstrong einen Vortrag hält, Alan Bean seine Bilder ausstellt oder Charles Duke Autogramme gibt (ein Mitglied der späteren Apollo-Expeditionen signiert für 20 Dollar, Buzz Aldrin kostet schon 250 Dollar, und Neil Armstrong unterschreibt prinzipiell nichts), ist Bart Sibrel mit einer Bibel zur Stelle. Schwören Sie auf die Heilige Schrift, dass sie wirklich auf dem Mond waren, fordert er, und die Astronauten, die kühl bis ins Herz das Weltall durchquerten, verlieren meist die Fassung. Stoßen Schimpfworte aus, entziehen sich durch hastige Flucht – oder strecken den Quälgeist mit einem Hieb zu Boden, wie Buzz Aldrin, der wie kaum anderer Glanz und Elend des größten Abenteuers der Menschheit verkörpert.
Buzz Aldrin war der zweite Mann auf dem Mond und hat das nie verwunden. Eigentlich war Aldrin vorgesehen, heißt es, aber Armstrong saß näher zum Ausgang und war außerdem der Chef. Als Neil Armstrong seinen legendären Satz vom kleinen Schritt funkte, machte Aldrin Fotos. Neil Armstrong sparte er aus. Als der dazu aufforderte, ihn wenigstens mit einer eigens entwickelten Gedenkplakette abzulichten, entgegnete Aldrin, er habe Wichtigeres zu tun.
Eine tröstende Hand
Bei den wenigen Anlässen, zu denen Aldrin und der inzwischen völlig zurückgezogen lebende Armstrong überhaupt noch gemeinsam auftreten, legt Armstrong dem Weggefährten manchmal tröstend die Hand um die Schultern und erklärt, dass man doch gemeinsam als erste auf dem Mond war. Aldrin presst dann die Lippen noch fester zusammen und duckt sich unter der großzügigen Geste.
Von „Mondstaub” spricht der amerikanische Autor Andrew Smith, der seine Begegnungen mit den überlebenden neun Mondfahrern in dem vorzüglichen Buch „Moonwalker” schildert; Mondstaub, der die Besucher des Trabanten verzauberte, sie aber auf der Erde zu Außenseitern machte. Nichts scheint mehr gut genug, alles verblasst. Einer wie Aldrin ist empört, wenn man ihm Jobs anbietet. Schließlich sei er auf dem Mond gewesen, da könne er doch nicht den Leuten Bier verkaufen.
Alkohol und Depressionen
Buzz Aldrin geht heute offen mit Alkoholismus und Depressionen um. Das ihm kleinkariert erscheinende Muster der Erde verstört ihn immer noch. Witze über seine historische Leistung regen ihn auf. In seiner Rolle als HipHopper Ali G. redete ihn der englische Comedian Sacha Baron Cohen („Borat”, „Brüno”) einst provokant mit „Buzz Lightyear” an, der Comic-Figur aus der „Toy Story”. Fragte ihn, ob er denn eifersüchtig auf „Louis Armstrong” sei. Der Mensch auf dem Mond, er verkam zur Witzfigur.
Eugene Cernan war als Letzter auf dem Erdtrabanten. Mit Apollo 17 endete am 19. Dezember 1972 die Geschichte der Mondlandungen, die mit Apollo 11 am 20. Juli 1969 begonnen hatte. Die Welt hatte das Interesse verloren. Auch Astronauten mussten jetzt Spesenformulare ausfüllen. Auf den Vordrucken stand „Zielort: Mond”. Als seine Kapsel beim Anflug ins Schlingern geriet, verfluchte Cernan sie mit dem Schimpfwort „Son of a bitch”, Hurensohn. Die Tirade ging live zur Erde, und der Leiter einer Bibelschule beschwerte sich bei Präsident Nixon. Der letzte Mensch auf dem Mond musste sich daraufhin vor der Nation öffentlich entschuldigen.