Berlin. Eher wie eine Pflichtübung wirkte die Regierungserklärung der alten und neuen Bundeskanzlerin.

Zwischendurch liest, tippt und sendet Angela Merkel SMS. Dann geht ihr Blick konzentriert nach unten, die Hände bleiben verborgen unter dem Tisch. Wenn die Kanzlerin fertig ist, schaut sie jedes Mal auf und lächelt entrückt zu den Unions-Reihen. Nichts versäumt, oder?

Gerade ist die Opposition dran. Wie eine Pflichtübung hatte Merkel zuvor eine Stunde lang im Bundestag die Regierungserklärung ihrer zweiten Amtszeit gehalten. Ihr erklärtes Ziel ist, Wachstum zu schaffen, aber sie bekennt freimütig: „Dieser Weg ist keine Garantie, dass wir es schaffen, die Folgen der Wirtschaftskrise schnell zu überwinden.”

Es ist ein Schlüsselsatz und der Ausgangspunkt der schwarz-gelben Koalition. In ihm schwingt Vieles mit: Entschlossenheit, aber auch Unsicherheit über den Verlauf der Bankenkrise, die Abneigung, Versprechungen abzugeben und die innere Aufteilung der nächsten vier Jahre.

Zuerst muss die Regierung die Krise bewältigen. Alles andere folgt daraus und danach. Die Krise liefert vor allem die Begründung für Steuersenkungen auf Pump, das umstrittene Projekt und Teil des „dreifachen Wortbruchs”, den der Grüne Jürgen Trittin beklagt. Er hebt – neben der Verschuldung – auf die höhere Belastung der Beitragszahler in die Kranken- und Pflegekasse und die Kinderarmut ab, weil das Kindergeld, nicht aber die Hartz-IV-Sätze erhöht werden sollen.

Die Schulden sind ein wunder Punkt, gerade für bürgerliche Koalitionen. Einiges kann Birgit Homburger ertragen, die neue Chefin der FDP-Fraktion – nur den Vorwurf lässt sie nicht auf sich sitzen. „Ja Entschuldigung, wer hat denn in diesem Land Schulden gemacht? Der größte Schuldenmacher der Nation heißt Steinbrück”, ruft sie aus.

„Ein Regierungsrätsel”

Es ist indes die Opposition, die punktet, weil Merkel jene Rede ohne Gewähr hält, auf die Steinmeier eingestellt war. „Sie hat keinen Plan, kein Projekt, keinen Anspruch”, sagt der SPD-Fraktionschef. Sie habe wesentliche Aufgaben „überhaupt nicht erkannt”, ätzt der Chef der Linkspartei, Oskar Lafontaine. Sie reden aneinander vorbei, Merkel und Lafontaine, sie über die Folgen der Krise, er über ihre Ursachen. Lafontaines fataler Verdacht: „Die Finanzindustrie bestimmt die Politik, und nicht Sie!”

Am Vortag war Blau dran. Am Morgen kommt Merkel nun in Schwarz. Eine Farbe, die angemessen feierlich und staatstragend ist, wie es in ihrem Umfeld heißt. Und die zur Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede passt, an der sie sich versucht. Zu Beginn der Regierungsarbeit, argumentiert die Kanzlerin, müsse eine schonungslose Analyse der Lage stehen, kündigte sie an. „Anschließend ziehen wir die richtigen Konsequenzen.”

Die Deutschen stimmt sie „ohne Umschweife” auf eine höhere Arbeitslosigkeit ein und – im globalen Maßstab – auf einen Akt der Selbstbehauptung: „Die Karten werden weltweit neu gemischt.” Sie wolle das Land zur neuen Stärke führen. Merkel nennt fünf Prioritäten: Erstens, die Folgen der Krise überwinden. Zweitens, das Verhältnis der Bürger zu ihrem Staat regeln. Drittens, Antworten auf die Veränderungen beim Altersaufbau finden. Viertens, einen schonenden Umgang mit der Umwelt organisieren und fünftens, ein neues Verhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit herstellen. Es sind Überschriften – und dabei belässt sie es.

Ihr Koalitionspartner FDP kann indes zufrieden sei, wenn sie im liberalen Jargon für einen Stufentarif im Steuersystem wirbt: „einfach, niedrig und gerecht”; oder wenn sie ausruft, Leistung solle sich wieder lohnen. „Wer mehr hat, darf mehr behalten”, kommentiert Steinmeier gallig. Merkel machte es ihrem ehemaligen Außenminister leicht: Sie lieferte passgenau die Rede zu seinen vorgefertigten Pointen: „Das war keine Regierungsrede, das war ein Regierungsrätsel, und Sie kennen die Lösung selbst nicht.”