Istanbul. Das Rauchverbot in der Türkei bedroht eine alte Tradition und lässt eine neue Spitzelmentalität erblühen.
Ein paar Tage versuchte Nuri Bilenler, ein Kaffeehausbesitzer in der westtürkischen Stadt Manisa, sich mit dem Rauchverbot abzufinden, das seit dem 19. Juli in allen Restaurants und Bars gilt. Aber es ging nicht. Als immer mehr Gäste ausblieben, griff Bilenler zu einer Radikalkur: Der Wirt riss kurzerhand das Wellblechdach über seinem Etablissement ein. Jetzt sitzen die Gäste im Freien und nuckeln wieder genüsslich an der Nargile, der Wasserpfeife. „Alle sind zufrieden”, sagt Bilenler: „meine Gäste, der Inspektor von der Gesundheitsbehörde und ich auch.”
Vor allem die Liebhaber der Wasserpfeife können es noch immer nicht glauben, dass es die Regierung Ernst meint mit dem Gesetz Nummer 4207, das den Tabakgenuss nicht nur in geschlossenen Gasträumen sondern sogar unter einer Markise oder im Schatten eines Sonnenschirms verbietet. „Man kann doch eine Jahrhunderte alte Tradition nicht einfach per Gesetz von einem Tag auf den anderen abschaffen”, sagt Osman Ersoy, der eines der vielen Wasserpfeifen-Cafés im Istanbuler Stadtteil Tophane betreibt. „Die Nargile ist keine Zigarette – sie bedeutet ein soziales Erlebnis.”
Für Premier Erdogan macht der Kampf gegen den Tabakgenuss, von dem er sagt, er sei „so wichtig wie der Kampf gegen den Terrorismus”, auch vor der Wasserpfeife nicht halt. Und entsprechend unerbittlich wird das Rauchverbot durchgesetzt. Dafür sorgen die rund 4000 Inspektoren, die im ganzen Land unterwegs sind, auf Provisionsbasis arbeiten und deshalb besonders eifrig Bußgelder kassieren. Für Raucher werden umgerechnet 32 Euro fällig, für Wirte, die Raucher dulden, bis zu 2600 Euro. Ein „Land der guten Luft” sollte die Türkei mit dem Rauchverbot werden, aber erst einmal scheint sie sich in ein Land der Spitzel zu verwandeln.