Essen. Bundes-Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner hat den Anbau von Genmais in Deutschland verboten. Damit sind alle Äcker frei von Gentechnik. Aber sind es auch die Regale der Discounter und Supermärkte? Darüber spricht Matthias Wolfschmidt von der Verbraucherorganisation Foodwatch im Interview.

Herr Wolfschmidt, „Damit wir nicht länger abgespeist werden” lautet der Slogan ihrer Verbraucherorganisation Foodwatch, bei der Sie als stellvertretender Geschäftsführer agieren. Werden deutsche Verbraucher in den Supermärkten denn wirklich mit gentechnisch veränderten Produkten abgespeist?

Wolfschmidt: Die Antwort lautet nein und ja. Fangen wir mit dem Nein an. Alle Produkte, deren Substanz zu mehr als 0,9 Prozent verändert ist, müssen gekennzeichnet werden. Da der Anteil durch gentechnische Verunreinigungen in Deutschland nirgendwo höher ist, steht es auch nirgendwo drauf. Das ist eine beruhigende Nachricht.

Und die unberuhigende Nachricht lautet?

Wolfschmidt: Dass Fleisch, Milch und Eier nicht gekennzeichnet werden müssen, auch wenn die entsprechenden Tiere mit genmanipuliertem Futter ernährt wurden – also Mais und Soja aus Übersee. 80 Prozent aller gentechnisch veränderten Pflanzen landen in den Bäuchen von Tieren, von Rindern, Schweinen und Hühnern. Dabei ist für uns gar nicht einmal entscheidend, ob es Gesundheitskriterien gibt, sondern, dass Menschen frei entscheiden können, was sie essen wollen. Wir fordern deshalb auch eine Kennzeichnungspflicht für tierische Produkte, wenn genverändertes Futter im Spiel ist. Der Verbraucher sagt sich nämlich: Es gibt ein potenzielles Risiko, ohne dass auf der anderen Seite daraus ein positiver Nutzen für ihn ensteht.

Wird bei der Kennzeichnungspflicht nicht gemogelt?

Wolfschmidt: Wahrscheinlich nicht. Jedenfalls hat Greenpeace Tests gemacht und ist nicht fündig geworden. Allenfalls in Asia-Läden kann man Produkte mit genmanipulierter Soda finden, die nicht gekennzeichnet sind.

Gibt es in Deutschland auch außerhalb von Bioläden tierische Produkte, die ohne den Einsatz von genmanipuliertem Futter auskommen?

Wolfschmidt: Tatsächlich gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Anbietern, die ohne Genmais oder Gensoja produzieren. Die bekannte Marke Wiesenhof füttert ihre Hähnchen zwar mit Futter aus Südamerika, es ist aber Gentechnik-frei. Auch Milchprodukte von Landliebe oder Gemüse der Firma Bonduelle werden ohne den Einsatz grüner Gentechnik hergestellt. Das ist dann aber eine sogenannte 'Positivkennzeichnung'. Diese findet absolut freiwillig statt. Weitere Produkte finden Verbraucher übrigens auf unserer Internetseite.

In den USA gibt es überhaupt keine Kennzeichnungspflicht für Produkte aus Grüner Gentechnik.

Wolfschmidt: Dort wird der Verbraucher völlig im Dunkeln gelassen, ist bei der Freiheit seiner Entscheidung, was er einkauft, machtlos. Das wiederspricht doch den vielgerühmten Freiheitsrechten der Vereinigten Staaten.

Lehnen Sie Gentechnologie bei Lebensmitteln kategorisch ab oder gibt es eine Ausnahme?

Wolfschmidt: Ich lehne lediglich die Genmanipulation ab, nicht die Gendiagnostik. Diese ist nämlich ein wunderbarer Weg herauszufinden, wie zum Beispiel eine Maissorte genetisch aufgebaut ist. Anhand einer Analyse kann ich dann feststellen, für welchen Standort sie besonders gut geeignet ist und kann sie optimieren. Das ist aber längst keine Manipulation am genetischen Profil der Pflanze. Außerdem dient das Verfahren allen Pflanzenzüchtern und nicht nur ein paar weltweit agierenden Großkonzernen.

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