Moskau. Der Anwalt Stanislaw Markelow wurde im Moskauer Stadtzentrum mit einem Kopfschuss getötet. Hinter dem offensichtlichen Auftragsmord könnten eine ganze Reihe von Hintermännern und Motiven stehen: Markelow hatte viele Feinde.

Der Killer handelte kaltblütig. Er tötete Stanislaw Markelow vor dutzenden Augenzeugen an der Metro-Station Kropotinskaja im Moskauer Stadtzentrum mit einem Kopfschuss aus nächster Nähe. Mit einem weiteren Kopfschuss verletzte er Markelows Begleiterin, die Oppositionsjournalistin Anastassija Baburowa lebensgefährlich. Dann verschwand der schwarz gekleidete Mann, der sein Gesicht hinter einer grünen Wollmaske verbarg, in der U-Bahn. Anastasija Baburawa, 25, starb abends auf der Intensivstation eines Moskauer Krankenhaus.

Die gleiche Handschrift wie beim Mord an Politkowskaja

Eine Tat mit der brutalen Handschrift eines Mords auf Bestellung. Die gleiche Handschrift wie beim Mord der Journalistin Anna Politkowskaja, die im Oktober 2006 im Flur ihres Hauses im Zentrum Moskau erschossen worden war. „Es ist ein und die selbe Botschaft: Wer in unserem Staat andere beschützt, landet selbst in der bedrohtesten Risikogruppe“, sagt Oleg Orlow, Vorsitzender der Menschenrechtsorganisation Memorial unserem Korrespondenten.

Der Rechtsanwalt Markelow vertrat unter anderem die Familie der Tschetschenin Elsa Kungajewa. Die 18-jährige war während des zweiten Tschetschenienkrieges vor neun Jahren von dem russischen Oberst Jurij Budanow vergewaltigt und ermordet worden. Budanow würde dafür zu 10 Jahren Haft verurteilt, kam aber vergangenen Donnerstag wegen guter Führung vorzeitig frei. Vieles spricht dafür, dass Markelows Tod mit dem Fall Budanow zusammenhängt. Aber Markelow vertrat außer Tschetschenen auch andere politische Außenseiter der neurussischen Szene. Und hinter dem offensichtlichen Auftragsmord könnte eine ganze Reihe von Hintermännern und Motiven stehen.

Markelow hatte viele Feinde

Markelow wurde unmittelbar nach einer Pressekonferenz erschossen. Dort hatte er erklärt, er wolle noch an diesem Tag Protest dagegen einreichen, dass ein Gericht in Dimotrowgrad seine Berufungsbeschwerde gegen die vorzeitige Freilassung Budanows abgelehnt habe. Und wenn nötig bis vor den Europäischen Gerichtshof gehen, um Budanow wieder hinter Gitter zu bringen. „Zuallererst sieht das wie die Rache von Budanow-Sympathisanten auf“, vermutet der „Moskowskij Komsomolez“, „Sie warteten, bis Budjanow auf freien Fuß war und töteten dann den Anwalt, der keine Ruhe geben wollte.“

Aber Markelow hatte viele Feinde. 2004 wurde er in der Moskauer U-Bahn von fünf jungen Männern mit Kurzhaarfrisuren brutal zusammengeschlagen. Mutmaßliche Rechtsradikale, die dem Anwalt heimzahlten, dass er in Gerichtsverfahren wiederholt ihre Feinde, Moskauer Antifa-Aktivisten verteidigte. Und das zweite Opfer, Anastasija Baburowa, lieferte für die oppositionelle Wochenzeitung „Nowaja Gazeta“ immer wieder Geschichten über jugendliche Extremisten, ihr letzter Artikel befasst sich mit einer rechtsradikalen Gruppe namens „Format 18“.

Heikle Fälle

Markelow verteidigte auch Tschetschenen, die Opfer ihrer eigenen Obrigkeit geworden sind. Nach Angaben der russischen Menschenrechtsorganisation „Memorial“ vertrat er die Familie des Tschetschenen Magomedsalich Masajew, der vergangenes Jahr spurlos verschwunden ist. Masajew hatte vorher öffentlich berichtet, er sei von Milizionären des prorussischen Tschetschenenpräsidenten Ramsan Kadyrows gefoltert worden.

Zu Markelows Klienten gehörte auch Michail Beketow, Chefredakteur der Moskauer Vorstadtzeitung „Chimkinskaja Prawda“. Beketow machte immer wieder Front gegen die Stadtverwaltung von Chimki, organisierte den Bürgerwiderstand gegen die Abholzung eines Parkwaldes, die Behörden planen dort eine Mautautobahn. Vergangenen November schlugen Unbekannte den Journalisten intensivstationreif.

„Stanislaw hatte sehr viele Feinde, weil er immer wieder sehr heikle Fälle übernommen hat“, sagt der Moskauer Rechtsanwalt Jurij Schmidt unserem Korrespondenten. „Er war sehr vielen ein Dorn im Auge”

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