Kaum einer prägt das Schwedenbild der Deutschen so sehr, wie Christiane Sadlo. Die 55-Jährige schreibt unter dem Pseudonym Inga Lindström von Liebe in Sommerhäuschen, erdacht und gemacht in Berlin-Mitte.
Essen. Am Sonntagabend wird ein uraltes Familiengeheimnis das Leben der Tierärztin Karin Västervik gehörig durcheinanderwirbeln. Sie wird weder den blauen Himmel noch die roten Holzhäuschen wahrnehmen, nicht die Brise, die von den Schären herüberweht, noch den Elchbullen, der im Abendrot röhrt.
Um auch Ihnen eine Illusion zu nehmen, sei dies gesagt: Inga Lindström gibt es nicht.
(Für alle, die nun völlig verwirrt sind: Inga Lindström ist eine höchst erfolgreiche Film- und Buchreihe. Etwa acht Millionen Menschen werden wahrscheinlich am Sonntag den 28. Teil namens „Der Erbe von Granlunda” im ZDF, 20.15 Uhr, anschauen.)
Hinter dem Pseudonym steckt Christiane Sadlo, eine 55-jährige Schwäbin mit Mann und Hund, die in Berlin-Mitte lebt und dort pro Jahr fünf Lindström-Drehbücher schreibt. Frau Sadlo wird gerne als schwedische Rosamunde Pilcher gesehen, aber damit tut man ihr Unrecht: Sie ist professionelle Drehbuchautorin, nach deren Worten diverse Familienserien wie „In aller Freundschaft” oder „Der Bergdoktor” entstehen. Bekannt wurde sie aber als die Frau, die das Schwedenbild der Deutschen prägt wie sonst höchstens Ikea.
In ihrem Schweden herrscht keine Düsternis à la Henning Mankell oder Hakan Nesser. Hier scheint die Sonne. Hier kommt Frau/Mann aus der Stadt aufs Land, muss wegen Unfall/Erbe/Krankheit doch länger bleiben als geplant. Verliebt sich, der/die Angebetete ist aber nicht verfügbar, durch schicksalhafte Wendungen wird's aber doch noch was. Hej, darauf einen Hafertaler!
Wie erklärt sich diese Schwedenliebe der Deutschen? „Das Stichwort heißt Eskapismus”, erklärt Christiane Sadlo. „Unsere Seele zieht es gerne dorthin, wo es exotisch ist. Aber nur ein bisschen! Und in Schweden liegen Fremde und Vertrautheit nah beieinander.”
Frikadelle mit roter Bete
Christiane Sadlo ist so schwedisch wie der Pax-Kleiderschrank in unserem Schlafzimmer. Sie macht gern Urlaub in Schweden – aber die Sprache spricht sie nicht. Dort leben? „Nein, da ist es mir im Winter zu lange dunkel.” Inga Lindström, diesen Namen erfand sie in einem solchen Urlaub: Inga ist eine Figur aus „Wir Kinder von Bullerbü”, Lindström bezeichnet eine Frikadelle mit Roter Bete drin. So trivial ist die Welt.
28-mal schon kochte sie aus denselben Zutaten ein anderes Filmgericht. Wie das geht? „Der Weg ist das Ziel. Und die Wege sind immer anders”, sagt Sadlo. „Ich lasse mich im Umkreis inspirieren. Jeder von uns kann doch eine Liebesgeschichte erzählen.”
Christiane Sadlos Erfolgsrezept heißt Disziplin. Von 9 bis 15 Uhr schreibt sie am Computer. Danach spaziert sie mit ihrem Hund durch Berlin-Mitte, überlegt sich neue Stoffe und Figurenkonstellationen. Das Drehbuch zu schreiben sei „reines Handwerk. Irgendwann weiß man, wo ein Plot Point sitzen muss, wann man die Handlung steigern muss”. Allzu wild darf es in Lindströms nicht zugehen. Psychologisch interessante Geschichten gebe es aber durchaus.
„Kitsch ist Seelenbalsam"
Dass ihre Arbeit bloßer Kitsch sei, den Vorwurf hört die Berlinerin häufig. Er ist ihr aber egal. „Kitsch ist Seelenbalsam. Die Leute stellen sich die Wohnung voller Kitsch und niemand hat damit ein Problem. Auch ,Titanic' ist im Grunde kitschig.”
So kitschig wie Rosamunde Pilcher (die übrigens nur Romane schreibt, die später – unter anderem von Frau Sadlo – zu Drehbüchern umgearbeitet werden) will sie aber nicht sein. Bei ihr gibt es berufstätige Mütter, manche sind gar allein erziehend! „Das liegt auch am Schauplatz. Schweden ist moderner als das England der Lords, das sieht man schon an den Möbeln.”
„Ich steh' auf Süßes”
Das Möbelhaus Ikea ist überhaupt eine große Quelle der Inspiration. Erstens arbeitet Frau Sadlo umzingelt von Billy-Regalen. Zweitens kauft sie dort regelmäßig Kerzen. Und Köttbullar. Und die Mandeltorte. „Ich steh' auf Süßes.”
Am Sonntagabend wird nichts das Leben im Hause Sadlo stören können. Herr und Frau Sadlo gucken gemeinsam fern. Natürlich Lindström, „als Tribut an meine Arbeit”, sagt die Autorin. Auch ihre Nachbarn gucken, auch ihre Briefträgerin. Sollte letztere den Film verpassen, wird sie am Montag bei Sadlos klingeln, und sich entschuldigen. So überschaubar ist die Welt.