Brüssel. Flämischer Senator kritisiert bizarre Babyverkäufe per Internet in Belgien. Anwalt: Hier geht es nur darum, die strengen Adoptionsvorschriften zu umgehen

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Die bizarren Babyverkäufe via Internet in Belgien werfen ein Schlaglicht auf die verzweifelte Lage kinderloser Ehepaare. Vor allem für Niederländer ist das Nachbarland eine Reise wert, um den sehnlichen Kinderwunsch rasch und unbürokratisch zu erfüllen. Im Gegensatz zu den Niederlanden können kommerzielle "Draagmoeders", Leihmütter, im kleinen Königreich zu Werke gehen, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten.

Kommerzielle Leihmütterschaft ist in Belgien tatsächlich nicht strafbar. Ein sonderbarer Zustand, den der flämische Senator Patrik Vankrunkelsven umgehend beendet sehen will. "Wir brauchen endlich gesetzliche Vorschriften", sagt der Politiker, und fügt achselzuckend hinzu: "Wenn etwas nicht ausdrücklich verboten ist, können solche Dinge leider passieren."

Dass Babys im Internet fast genauso verkauft werden können wie Gebrauchtwagen oder abgelegte Kleidung - eine abstruse Vorstellung. Der Brüsseler Staranwalt Christophe Marchand entschuldigt diese belgische Variante des "Kinderhandels" nicht, erklärt ihn aber so: "Streng genommen geht's hier weniger um einen Verkauf, sondern darum, die strengen Adoptionsvorschriften zu umgehen." Marchand verteidigt die leiblichen Eltern von "Baby J.", die ihren Sohn im Juli übers Internet für 2600 Euro an ein niederländisches Paar verkauft haben. Das junge Paar aus Gent bereut diesen Schritt inzwischen und will seinen "Jaden Quintin" wieder zurückhaben.

Eine Grauzone, die Geschäftemachern Tür und Tor öffnet

Senator Vankrunkelsven spricht von einer Grauzone, die Geschäftemachern Tür und Tor öffne. Dass die 31 Jahre alte Sonia R., die ihre Zwillinge für rund 12.000 Euro verkauft haben soll, trotzdem verurteilt werden könnte, hat einen ganz anderen Grund. Weil sie sich mehreren niederländischen Ehepaaren zur selben Zeit als Leihmutter angeboten hat, ermittelt die Justiz in Gent nun wegen Betrugs. Angeblich brauchte die Frau, die bereits Mutter von fünf Kindern ist, dringend Geld, um sich eine Schönheits-OP leisten zu können.

Senator Vankrunkelsven schlägt vor, Leihmütterschaft in Belgien unter strengen gesetzlichen Auflagen zu erlauben. "Es muss in erster Linie eine altruistische Tat sein, keinesfalls ein Nebenverdienst oder Broterwerb." Soll heißen: Eine Frau dürfe sehr wohl Leihmutter für ihre kinderlose Schwester oder Tochter sein. Vorstellbar ist für ihn auch, dass kinderlose Wunsch-Eltern Leihmüttern eine angemessene Entschädigung für Lohnausfall oder Schwangerschaftskleidung zukommen lassen.

Die Leihmütter-Praxis in Europa ist höchst unterschiedlich

In Deutschland ist es strikt verboten. Fließt gar Geld, handelt es sich um einen Verstoß gegen das Adoptionsvermittlungsrecht. Adoptionen gelten in Deutschland als ein "unentgeltliches Rechtsgeschäft".

Länder wie Italien, Österreich und Schweiz sowie Skandinavien (Norwegen, Dänemark, Schweden) verbieten Leihmütterschaften ebenfalls, während Griechenland und Großbritannien sie erlauben. Auch in Frankreich stimmte der Senat in diesem Jahr einem entsprechenden Gesetz zu. In den USA hat sich trotz gesetzlicher Vorschriften ein florierendes Geschäft mit Leihmüttern entwickelt.

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