Ruhrgebiet. 19.000 Beschäftigte von Kindertagesstätten und Jugendheime legten am Mittwoch für zwei Stunden die Arbeit nieder. Sie demonstrierten vor den Kitas für einen Gesundheitstarifvertrag. Die Eltern reagierten verständnisvoll.

Unangenehmer Nieselregen ist nicht etwas, das Erzieherinnen davon abhalten könnte, sich im Freien aufzuhalten. Zu oft gehen sie mit ihren Schützlingen bei Wind und Wetter vor die Tür. Rund 70 Bochumer Erzieherinnen legen am Mittwoch, am ersten bundesweiten Warnstreiktag, für zwei Stunden die Arbeit nieder und demonstrieren vor den Kitas für einen Gesundheitstarifvertrag. „Die meisten Eltern haben Verständnis”, sagt Verdi-Gewerkschaftssekretärin Antje Rösener. So beginnt am Mittwoch in neun von 15 städtischen Kindertagesstätten die Betreuungszeit mit Hindernissen.

"Alle schreien nach mehr Bildung für die Kinder"

Bundesweit legen 19.000 Beschäftigte von Kindertagesstätten und Jugendämtern die Arbeit nieder, in NRW sind es 4500; dabei geht es ausschließlich um städtische Einrichtungen. Zum einen wollen die Streikenden in der Tarifrunde den Druck erhöhen, vor allem aber geht es ihnen darum, einen eigenen Tarifvertrag für Gesundheitsförderung durchzusetzen. „Ende Januar haben wir den Arbeitgebern einen Tarifvertragsvorschlag geschickt. Bis heute gibt es keine Reaktion”, so Uwe Reepen, Sprecher von Verdi NRW.

Die Belastung der Erzieherinnen habe in den vergangenen Jahren extrem zugenommen. Nicht nur, dass die Gruppen größer geworden seien, auch seien die Ansprüche an das Personal gewachsen. „Alle schreien nach mehr Bildung für die Kinder. Sprachförderung in zusätzlichen Gruppen. Beobachtungsbögen. Sprachbögen. Delfin-Test. Integrative Arbeit”, zählt etwa eine Erzieherin in Dortmund auf, wo allein 950 warnstreiken.

So laut wie ein Düsenjäger

„Uns ist auch wichtig, dass sich Arbeitsmediziner endlich die Arbeitsplätze genauer anschauen. Messungen haben ergeben, dass der Lärm in Kitas zum Teil bei 117 Dezibel liegt. Das entspricht einem startenden Düsenjäger in 100 Meter Entfernung”, sagt Reepen. Zudem litten viele Mitarbeiterinnen wegen des vielen Sitzens auf Kinderstühlen unter Rückenschmerzen.

So versammeln sich in Bochum auch rund 50 Sozialarbeiter und Sozialpädagogen des Jugendamtes, um für die gleiche Sache zu streiten. Der Warnstreik bildet den Auftakt für die Urabstimmung vom heutigen Donnerstag bis zum 13. Mai für den Gesundheitstarifvertrag.

190 streiken in Mülheim, 200 in Oberhausen; in Marl und Recklinghausen tut sich zunächst noch nichts, doch auch hier beginnt am Donnerstag die Urabstimmung. Dann stehen Eltern junger Kinder eventuell vor einer besonderen organisatorischen Aufgabe: Sie müssen sich nach Ersatz für die Betreuung ihrer Kleinen umsehen, Ersatz, der im Ernstfall auch mehrere Tage kommt. Ab Donnerstag nächster Woche könnten die Türen geschlossen sein.

Eltern informieren

Bei der Urabstimmung müssen 75 Prozent der organisierten Beschäftigten einem Streik zustimmen, um ihn durchführen zu können. Schwerpunkt im Vest werden Marl und Recklinghausen sein. „Hier gibt es die meisten Kindergärten in kommunaler Trägerschaft und hohe gewerkschaftliche Organisationsgrade”, sagt Gewerkschaftssekretär Bernd Dreisbusch. Bei den Eltern wirbt er um Verständnis: „Sie werden in den nächsten Tagen von den Erzieherinnen über alles informiert.”

Hingegen kritisierte die „Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände” die Warnstreiks als „unnötig”. Hauptgeschäftsführer Manfred Hoffmann: „Er trifft die Kinder und die Eltern und bringt uns nicht weiter.” Die nächste Verhandlungsrunde sei schon längst für den 27. Mai angesetzt: „Es wäre Eltern und Kindern gegenüber fair gewesen, diesen Termin abzuwarten.”

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