Kairo. Wenn Benedikt XVI. ab Freitag in den folgenden acht Tagen die Ursprungsorte des Christentums besucht, dann stehen zusammen mit dem Papst auch die Christen im Heiligen Land für kurze Zeit wieder im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit. Immer mehr von ihnen verlassen Israel.

Schätzungsweise 2000 Journalisten befinden sich im Tross des Kirchenoberhauptes. Die öffentlichen Gottesdienste in Jerusalem und Nazareth werden weltweit Millionen Menschen live am Fernsehen mitverfolgen. Trotzdem bilden die etwa 160.000 Christen vor Ort nur eine kleine Randgruppe, die kaum zwei Prozent der Bevölkerung ausmacht. 110.000 leben in Israel, überwiegend in Galiläa. 50.000 wohnen in den palästinensischen Gebieten.

Christen sehen für sich und ihre Kinder keine Zukunft

Vorfreude auf den Papst: Palästinensische Pfadfinder in Bethlehem. Foto: Katharina Eglau
Vorfreude auf den Papst: Palästinensische Pfadfinder in Bethlehem. Foto: Katharina Eglau © Katharina Eglau, Winterfeldtstr.

Im Gazastreifen sowie in den Regionen um Nablus und Jericho beträgt die Zahl der Christen jeweils nur wenige Hunderte. In Bethlehem und im Raum Ramallah dagegen stellen sie teilweise noch ein Drittel der Bewohner – mit fallender Tendenz. Denn seit Jahren wandern Christen aus, weil sie für sich und ihre Kinder keine Zukunft mehr sehen. Teilweise besser gebildet als die Mehrheit ihrer muslimischen Mitbürger, kehren Tausende ihrer Heimat entnervt den Rücken.

Die Mehrheit der weltweit gut 400 000 palästinensischen Christen jedoch lebt auf anderen Kontinenten. Manche Gemeinde in Kanada, Australien oder Südamerika ist heute größer als die in Jerusalem oder Bethlehem. Beispielhaft für diesen Exodus ist die Entwicklung in Jerusalem: Vor der Staatsgründung Israels lebten hier 30.000 Christen unter 200.000 Einwohnern. 60 Jahre später sind es noch 12.000 Christen unter 740.000 Bürgern, davon 4000 Nicht-Palästinenser.

Eines Tages werde man sich fragen, „ob Jesus wirklich hier war, wenn keine Menschen mehr vor Ort präsent sind, die an ihn glauben”, befürchtet das Oberhaupt der melkitischen Katholiken, Erzbischof Lufti Laham. „Dann wird das Heilige Land für die Christen zu einem Museum.”

Deutliche Töne vom Patriarchen

Acht Tage

Bei seinem achttägigen Aufenthalt besucht der Papst Jordanien, Israel und die Palästinensergebiete. Für Sonntag ist eine Papstmesse im Stadion von Amman vorgesehen. In Israel sind von Montag an Begegnungen mit Regierungsvertretern sowie ein Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem geplant.

Insgesamt 30 christliche Gruppierungen sind in der Heimat Jesu präsent, die fast das gesamte konfessionelle Spektrum abdecken. Zu den größeren Kirchen zählen die Katholiken, die Griechisch-Katholischen, die Griechisch-Orthodoxen und die Protestanten. Dagegen sind die Kopten, Äthiopier und Syrisch-Orthodoxe vom Verschwinden bedroht.

Zur Schlüsselfigur dieser nahöstlichen Ökumene hat sich der lateinische Patriarch von Jerusalem entwickelt. Der seit den Kreuzzügen verwaiste Bischofssitz war 1847 von Rom wiedererrichtet. Fouad Twal, ein christlicher Jordanier, dessen Großeltern noch in der Wüste als Beduinen lebten, gilt als politisch geschmeidiger als sein Vorgänger. Er war 18 Jahre im diplomatischen Dienst des Vatikans und danach Erzbischof von Tunis.

Doch bereits in seiner ersten Weihnachtsbotschaft vor vier Monaten schlug er deutliche Töne an. Die Mauer, die Israel errichtet hat, trage bei „zur Entstehung von Gewalt und Demütigung und erzeuge Groll und Hass”, schrieb er. Jerusalem werde durch den Bau jüdischer Siedlungen stranguliert, was immer mehr Christen ins Exil treibe.

Die Bischöfe warnen

Auch die Bischöfe der orthodoxen, anglikanischen und lutherischen Kirchen warnen immer wieder vor dem Aussterben der palästinensischen Gemeinden. Verantwortlich dafür ist in den Augen aller Oberhirten „die illegale israelische Besatzung”. Sie „macht es für uns Christen ebenso wie für das ganze palästinensische Volk, dessen Teil wir sind, unmöglich, in Würde, Freiheit und Sicherheit zu leben”, schrieben sie.

Um das Schrumpfen der Gemeinden einzudämmen, versuchen vor allem die katholische und die protestantischen Kirchen, die Menschen durch soziale Projekte zu halten: Günstige Wohnungen sollen Familien zum Bleiben bewegen, Schulen und Ausbildungsprogramme jungen Menschen eine neue Perspektive geben. „Wir dürfen uns nicht in die Opferrolle zurückziehen, sondern müssen aktiv bleiben”, sagt Bernard Sabella, Soziologe an der Bethlehem Universität und palästinensischer Abgeordneter. „Christen im Heiligen Land sind schließlich kein westlicher Import, sondern hier tief verwurzelt.”

Mehr zum Thema: