Essen/Stuttgart. Daimler in der Kritik: Baden-württembergische Datenschützer leiteten gestern eine Überprüfung gegen den Stuttgarter Autobauer ein. Zuvor war bekannt geworden, dass Daimler Blutproben von potenziellen Bewerbern einfordert.
Solche Gesundheitschecks sind kein Einzelfall: Immer mehr Firmen verlangen von Bewerbern Einstellungsuntersuchungen.
Bewerbern bei Daimler wurden nach Informationen des Radiosenders NDR Info während des Bewerbungsverfahrens Blutproben entnommen. Der Autobauer verteidigte sein Vorgehen: Es werde „ärztlich untersucht, ob der Bewerber für die Stelle, für die er sich beworben hat, geeignet ist”. Der NDR habe etwas „durcheinander geschmissen”. Der Werksarzt untersuche Bewerber erst, wenn klar sei, dass sie eingestellt würden.
Der werksärztliche Dienst gebe keine Diagnosen oder Blutwerte an die Personalabteilung weiter. Auch gebe nicht jeder Bewerber eine Blutprobe ab. Es sei aber vorgekommen, dass Anwärter zur Untersuchung gebeten worden seien, ohne zu wissen, dass man sich für sie entschieden habe.
Kritik
Bei Gewerkschaftsvertretern und Gesundheitsexperten stößt das Unternehmensgebaren auf massive Kritik. Laut Gesetz dürfen Bewerber nicht zu Gesundheitstests gezwungen werden.
„Das ist ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Bewerbers, der nicht akzeptabel ist”, kritisiert Wolfgang Nettelstroth, Sprecher der IG Metall NRW die Praxis von Unternehmen, Bewerber zur Einstellungsuntersuchung zu bitten. „Wer will denn glauben, dass ein Unternehmen diese Daten nicht anderweitig nutzt? Das ist nicht glaubwürdig.” Solche Tests könnten nicht Grundlage für Personaleinstellungen sein.
Arbeitssuchende in der Klemme
Barbara Matschke von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund sieht Arbeitssuchende in der Klemme. Wenn sie einen Test verweigerten, seien sie raus aus dem Bewerbungsverfahren. „Wenn jemand in Not ist, dann wird er zu allem Ja und Amen sagen.”
Diese Checks seien nur zulässig und richtig, wenn sie ausschließlich dazu dienten, die gesundheitliche Eignung für die jeweilige konkrete Tätigkeit zu ermitteln.
Auch andere Firmen testen
Daimler ist nicht das einzige Unternehmen, das auf Untersuchungen bei der Einstellung setzt. Auch Firmen wie der Energieversorger RWE, Thyssen-Krupp Stahl und RAG Deutsche Steinkohle bestätigten, Bewerber auf Drogen zu untersuchen und sie zu Urintests zu bitten. Genau wie beim Bluttest sind laut Matschke Aussagen über den Gesundheitszustand möglich. „Im Urin könnte man Nieren- und Stoffwechselerkrankungen, aber auch Gendefekte nachweisen”, sagt die Expertin.
Kritik am Vorgehen von Daimler kommt auch aus der Politik: Es müsse geklärt werden, wer von den „Praktiken” gewusst und diese zu verantworten habe, sagte der datenschutzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, Jürgen Walter. „Eine erneute groß angelegte Missachtung des Datenschutzrechts bei Einstellungsuntersuchungen ist kein Kavaliersdelikt.”