London. Der „hässliche Deutsche” wird im Ausland wieder gerne beschworen. Mit seinen Attacken gegen Steueroasen wie die Schweiz hat Bundesfinanzminister Peer Steinbrück einiges dafür getan, dieses Vorurteil zu aktualisieren.

Anlässlich des Gipfels der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) in London kam nun aber auch Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy in den Genuss einer ähnlichen Zuschreibung. Ihn und Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte die britische Zeitung Guardian eine „awkward squad” – eine „schrecklich Truppe”.

Der Gipfel rollte am Mittwoch Abend gerade an. Die Verhandler brüteten über den Konsequenzen aus der Finanzkrise: Welche Art von Bankregulierung ist notwendig, welche Kontrolle für Hedgefonds und Rating-Agenturen? Da stellten sich Merkel und Sarkozy im Hotel „The Berkeley” unweit des Buckingham Palace vor die Presse und fanden gemeinsam ungewöhnlich deutliche Worte.

"Es geht hier nicht um einen Kuhhandel"

„Es geht hier nicht um einen Kuhhandel”, sagte Merkel. Sowohl sie als auch Sarkozy stellten ihre eigenen Bedingungen: Regulierungslücken sollten geschlossen und Finanzmärkte transparenter werden – auch und gerade dort, wo die Krise ihren Lauf genommen hat: in der City of London und an der Wall Street.

Angesichts des etwas aufgeplusterten Auftritts sparten britische Medien nicht mit Kritik: Von „öffentlicher Effekthascherei” war die Rede, die Premier Brown die Parade verregne, von einem mehr als „theatralischen Präsidenten” und einer „forsch-frechen, aber business-mäßigen Kanzlerin Merkel”.

Die deutsche Delegation erklärte Merkels Auftritt mit ihrem Eindruck, ihr würden „die Felle davonschwimmen”. Sollte heißen: Die Passagen des Gipfel-Kommuniques, die sich mit Konjunkturprogrammen beschäftigten, nahmen immer mehr zu. Die Teile, die Merkel und Steinbrück am Herzen lagen, drohten in den Anhang der Erklärung verschoben zu werden.

Brown wollte vor allem Konkunkturprogramme

Damit schien die Geschichte, die die Bundesregierung vor dem Gipfel verbreitet hatte, widerlegt. Es gebe gar keinen Dissens, hatte es geheißen. Tatsächlich versuchte Gordon Browns Delegation offenbar, den Fokus der Erklärung zu verschieben. Der britische Premier sprach sich dafür aus, ein zusätzliches internationales Investitionsprogramm aufzulegen – zwei oder drei Billionen Dollar sollten die G20-Staaten aufbringen, um den Absturz der Weltwirtschaft zu verhindern.

Der Bundesregierung ist dagegen „die neue Architektur der Finanzmärkte” viel wichtiger. Ganz oben auf ihrer Prioritätenliste rangiert die lückenlose „Aufsicht über alle Finanzmärkte, Akteure und Produkte” – eine Formulierung, die sich sinngemäß auch in der Gipfelerklärung wiederfindet. Dieser Logik folgend haben die G20-Regierungen vereinbart, den Grundstein einer neuen internationalen Behörde für Finanzaufsicht zu legen. Dafür wird das schon bestehende Financial Stability Forum (FSF), ein Gremium der nationalen Aufseher, um die Schwellenländer erweitert. Künftig könnte es „Financial Stability Board” heißen.

Den Kuhhandel gab es trotzdem

Natürlich hat es doch den einen oder anderen Kuhhandel gegeben: Gordon Brown verkündete am Schluss ein 800-Milliarden-Dollar-Programm für Entwicklungsländer, das aber nicht „Konjunkturprogramm” heißen darf. Die Kontrolle der risikoreichen Hedgefonds hat es trotz britischen Missfallens zwar ins Kommunique geschafft. Aber dort ist nur die Rede von „systemrelevanten” Fonds – ein Schlupfloch, das Investoren zu nutzen verstehen werden.

Immerhin versprach Gordon Brown: „Wir alle treffen uns noch dieses Jahr, um die Umsetzung zu überprüfen.” Die Londoner Börse reagierte – und zog um vier Prozent an.