Essen. Nach dem Amoklauf von Winnenden wird ein strengerer Zugang zu Schusswaffen gefordert. Doch weiß man nicht einmal, wie viele es sind, denn es gibt keine zentralen Register.

Wie er es mit einem Schwert in die sechste Etage des Versandhandels Bader geschafft hatte, war hinterher nicht mehr wirklich zu klären; aber jedenfalls erschlug der eigentlich unscheinbare, allerdings gerade Amok laufende Bürokaufmann Stefan A. dort im September 2003 eine Kollegin und verletzte drei schwer. Nicht auszudenken, er hätte statt des Schwertes eine Pistole gehabt!

"Keine Veranlassung, das Waffenrecht zu erschweren"

Am Donnerstag hat Deutschland nur eine hilflose Frage: Wie man Winnenden 2 verhindern kann – etwa, indem man den Zugriff auf Schusswaffen einschränkt? Es gebe „keine Veranlassung, das Waffenrecht zu erschweren”, sagt Konrad Freiberg, der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft GdP. Doch sollte geprüft werden, wie Waffen untergebracht sind: „Natürlich müssen sie weggeschlossen werden”, das werde „häufig nur halbherzig gehandhabt”.

Freilich widerspricht ihm da der eigene GdP-Waffenexperte, Wolfgang Dicke. So erwarte den Vater des Amokläufers nicht nur ein Bußgeld, weil sein Sohn an die Waffe kommen konnte. Der Vater hatte 4000 Schuss Munition im Haus und 15 Waffen, gesichert in zwei Waffenschränken – doch die Beretta lag im Schlafzimmer.

"Das hat höchste erzieherische Wirkung"

„In solchen Fällen bezweifelt die Behörde die Zuverlässigkeit und zieht die Waffenbesitzkarte ein”, so Dicke. Damit sind die Waffen weg: „Das hat höchste erzieherische Wirkung. Die können gar nicht anders, als sie ordnungsgemäß aufzubewahren.”

Ein anderer Vorschlag: Schusswaffen aus den Wohnungen herauszuholen und sie zentral zu lagern, etwa verschlossen in den Schützenheimen. „Was denken Sie, welche Begehrlichkeit dunkler Gestalten Sie da wecken?”, sagt Birger Tiemann, der Sprecher des Deutschen Schützenbundes.

Das sieht auch Dicke so: Heute seien die Waffen etwa bei den zwei Millionen Sportschützen zu Hause, „da sind sie im anonymen Streubesitz” und damit kaum zu finden für einen, der stehlen will.

10 Millionen legale Schusswaffen soll es geben im Lande, 20 Millionen illegale. Doch das sind gegriffene, beliebige Zahlen, die um -zig Millionen falsch sein. Absurd: Zwar wird jede legale Schusswaffe registriert, aber dann weiß niemand, wie viele es sind. Es gibt noch nicht einmal ein Landeszentralregister.

6000 Waffen weg

Fest steht, dass jährlich rund 6000 legale Schusswaffen verschwinden. Indes werden die wenigsten gestohlen oder unter der Hand verkauft, die meisten verschwinden auf dem Weg der Erbschaft. „Da nimmt sich ein Erbe so ein Stück, hängt es an die Wand und weiß gar nicht, dass das illegaler Waffenbesitz ist”, sagt ein Experte.

Einen anderen Weg haben mehrere Polizeipräsidien im Revier eingeschlagen, um die Waffen im Volk zu verringern. Sie schreiben Waffenbesitzer an und weisen in rauem Ton darauf hin, dass sie die in sicheren (und teuren) Schränken aufzuheben haben. Die Folge: Die Leute „scheuen die Kosten und geben die Waffen bei uns ab”, so Duisburgs Polizeisprecher Armin Blättermann.

Im Bezirk des Präsidiums Essen/Mülheim streckten 573 Waffenbesitzer 2008 die Waffen, jetzt sind es noch 9005 mit 31 215 Schusswaffen. Und in Duisburg begann die Aktion bei rund 23.000 Waffen. So viele wurden abgegeben, so Blättermann, dass es „jetzt noch 19.001 sind”.

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