Essen. Autoverwerter wittern offenbar ein gutes Geschäft mit den abgewrackten Fahrzeugen. Die Zahl der Autos, die illegal nach Osteuropa und Afrika weiterverkauft wurden, geht nach Schätzungen in die Tausende. Ein Essener Autoverwerter erklärt, wie das in der Praxis funktionieren kann.

„Was willst Du für den Voyager?”, fragt der kleine Mann mit leicht asiatischem Akzent. „Ist nicht zu verkaufen”, antwortet Sebastian Maag. Und bleibt trotz der Hartnäckigkeit des Interessenten dabei: unverkäuflich! Der Minivan gehört zur Generation Wrack. Jene Fahrzeuge, die von ihren Besitzern gegen die Umweltprämie eingetauscht und zum Schrotthändler gebracht wurden. So stehen sie auf dem Platz des Essener Verwertungsbetriebs Maag Stoßstange an Stoßstange, meist mit frischen Umweltplaketten. Jeden Tag könnte Maag mehrere dieser Fahrzeuge verkaufen. Doch krumme Dinger drehe er nicht.

Das schnelle Geld gesehen

Er nicht. Andere offenbar schon. Auf fünf bis zehn Prozent schätzt der Bund der Kriminalbeamten (BDK) die Zahl der Abwrack-Autos, die nach Osteuropa und Afrika weiterverkauft wurden. Vom Schrott in die illegalen Kanäle der organisierten Kriminalität. Und Hagen Hamm vom Verband deutscher Autoverwerter bestätigt mit Bedauern „eine gewisse Quote von Schrotthändlern, die das schnelle Geld gesehen hat”. Schon in den ersten Wochen gab es diese Anfragen der Mitglieder: Wenn es doch erlaubt sei, Einzelteile der abzuwrackenden Autos zu verkaufen, könne man das dann nicht auch mit der vorderen und der hinteren Hälfte eines solchen Fahrzeuges tun?

Mit der Abwrackprämie hat sich auf den Schrottplätzen tatsächlich einiges geändert. Vorbei die Zeit, in der ein Verwerter selbst entscheiden konnte, ob er den Wagen verschrottete und den Stahl zu Geld machte oder für das gute Stück noch einen Kunden suchte. Dabei hat sich die Qualität dessen, was da auf den Plätzen landet, beileibe nicht verschlechtert. Im Gegenteil. „Bei manchen Leuten setzt wegen der 2500 Euro das wirtschaftliche Denken aus. Wenn da ein findiger Autoverkäufer ans Werk geht. . .”, sagt Hamm und meint die vielen abzuwrackenden Fahrzeuge, die zwar neun Jahre alt sind, jedoch wenig gelaufen, liebevoll gepflegt und gewartet.

"Förderprogramm für organisierte Kriminalität"

„Leider ist die Abwrackprämie eine Regelung, die nicht kontrolliert wird”, sagt auch Jürgen Resch, der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Resch, der von einem „Förderprogramm für organisierte Kriminalität” spricht, rechnet mit insgesamt 100 000 Betrugsfällen.

Der bisher legale Verkauf von zur Verschrottung abgegebenen Schrottautos werde in die Illegalität geschoben. Dass gleichzeitig die Zahl der Autodiebstähle abgenommen hat, ist für Wilfried Albishausen vom BDK der Beweis, dass der Bedarf günstiger gebrauchter Wagen nun über diese Schiene gedeckt werde. „Die Abwrack-Autos werden am Fiskus vorbei in den Osten oder nach Afrika verkauft. So baut die organisierte Kriminalität mit diesem Geld bei relativ geringem Risiko ihre Netzwerke aus”, sagt Albishausen.

Umweltprämie ohne ökologische Standards

All das, so Jürgen Rech von der Deutschen Umwelthilfe, hätte man sich ersparen können. „Warum”, fragt er, „wird das Abwracken subventioniert? Warum nicht der Kauf eines spritsparenden, umweltfreundlichen Autos?” Offiziell Umweltprämie genannt, formuliere diese jedoch keine ökologischen Standards.

Wenn Sebastian Maag, der Essener Autoverwerter, über die Abwrackprämie spricht, könnte man glatt den Eindruck gewinnen, dass sie auf die Schnelle aus Ersatzteilen zusammengeschraubt wurde. Dazu gehört die Tatsache, dass in den ersten drei Monaten Kfz-Brief und -Schein nicht gekennzeichnet wurden. „Wir hätten diese Wagen beiseite stellen und sie im nächsten Jahr wieder verkaufen können. Komplett mit Papieren.”

Das Lager quillt über

Der Autoverwerter ist nach Maags Ansicht die Stelle, wo krumme Geschäfte ihren Lauf nehmen können. Vorstellbar sei folgendes Szenario: Ein Autohändler zahlt ihm für den Abwrack-Nachweis 100 Euro. So kassiert der Händler die 2500 Euro, verkauft das Auto aber weiter.

Auch Maag stellt Autos zur Seite - die guten. 2000er Golf 4 mit 70 000 Kilometern. Die wandern nächstes Jahr in die Einzelteilverwertung. Im Moment versucht Maag, nicht unter der Blechlawine verschüttet zu werden. 3500 Wagen sind mit der Prämie auf ihn zugerollt, die Presse läuft täglich, das Lager mit Ersatzteilen zum Wiederverkauf quillt über.

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