Werl. Der Aufbau einer Tagesbaustelle ist für die Mitarbeiter der Autobahnmeistereien ein großes Risiko. Um einen Fahrstreifen zu sperren, müssen sie auf die Autobahn laufen.
Heute wird Franz Grüne-Berz wieder spazieren gehen. Sobald er am späten Nachmittag seinen Dienst beendet hat, will er mit der Frau und den beiden Kindern eine Runde durch den Wald drehen. Die ist allerdings nicht annähernd vergleichbar mit dem Spaziergang, den der Straßenwärter nun antritt.
Plötzlich steht Franz Grüne-Berz mitten auf der Autobahn. Mit einem Verkehrsschild in der Hand. Und auch wenn der Begriff in dieser Situation unangemessen scheint: Ja, das was der 36-Jährige da gerade veranstaltet, wirkt fast wie ein Spaziergang. Kurz hat er gezögert, doch als der richtige Moment gekommen ist, schlendert er über die Fahrbahn. Scheinbar locker, ohne eine Spur von Angst. „Das sieht nur so aus”, sagt er und lächelt. „Da entscheiden Zentimeter. Ich frage mich selbst oft: Was hast du da gerade gemacht?”
Es ist kurz nach neun am Morgen in der Höhe von Werl. Auf der A 44 rollt der Verkehr Richtung Kassel. Lkw donnern mit rumpelnden Anhängern vorbei, Sportflitzer sind nur Sekundenbruchteile als farbige Sprenkel zu erkennen, ein Kombi drängelt sich mit stotterndem Motor vor einen Kleinwagen.
Nach wenigen Minuten bildet sich der Stau
Doch nun sind sie da: Die Spaßverderber von der Autobahnmeisterei Werl. Sie werden den rechten der beiden Fahrstreifen sperren um dort eine Induktionsschleife zu erneuern, eine in den Boden eingelassene Drahtschleife zur Erfassung von Verkehrsdaten. Die Autos werden gleich nur noch auf einer Spur rollen, nach ein paar Minuten wird sich ein Stau bilden. „An die zwei Stunden wird das wohl dauern”, erklärt Anke Nölting, Leiterin Verkehr bei Straßen.NRW.
Bis zu 80 dieser so genannten Tagesbaustellen gibt es täglich auf den Autobahnen Nordrhein-Westfalens. Die orange gekleideten Männer der Autobahnmeistereien rücken aus, um Reparaturen zu erledigen. Um den Wildwuchs an Seitenstreifen zu bändigen. Um Kanäle zu reinigen, um Schilder zu säubern. „Um den Verkehrsfluss auf der Autobahn nachhaltig zu gewährleisten”, wie Straßen.NRW-Sprecher Bernd Löchter sagt.
Fluchende Autofahrer
Einige Autofahrer schimpfen. Sie gestikulieren wild, manch einer hupt wutschnaubend. „Das macht mir nichts. Das ist schließlich unser Job”, sagt Franz Grüne-Berz achselzuckend und blickt auf die Autokette, die sich wie ein schläfriger Lindwurm an ihm vorbeischlängelt.
Zweimal ist der 36-Jährige in den zurückliegenden Minuten über die Fahrbahn spaziert. Hat erst das Schild mit der rotgeränderten 100 und dann einige hundert Meter weiter das mit der 80 auf dem Mittelstreifen platziert. Nun haben er und sein Kollege ihren Lkw mit der riesigen Absperrtafel auf dem gesperrten Streifen geparkt und verlegen davor die Warnschwellen. „Wachrüttelschwellen” nennen die Männer die gelblichen Kunststoffmatten. Wie in jedem Beruf gibt es bei den Straßenwärtern ein eigenes Vokabular. Dazu gehört auch das Wort „abgeschossen”. Und abgeschossen wird niemand gerne. Denn wer abgeschossen wird, der hat es nicht unfallfrei über die Bahn geschafft. Im Schnitt betrauern die NRW-Straßenwärter den Verlust eines Kollegen im Jahr.
Sprung über die Schutzplanke
„Ein paar Mal war es schon brenzlig”, erinnert sich Franz Grüne-Berz. Da rettete er sich mit einem beherzten Sprung über die Schutzplanke. Dass ein Autofahrer sämtliche Schilder ignoriert hatte und in den orangefarbenen Lkw der Autobahnmeisterei raste – „schon vorgekommen”, sagt Grüne-Berz.
Eine gute Versicherung, die hat er selbstverständlich. Und stets hat er die Worte seiner Frau im Ohr: „Sei vorsichtig!”. Ein Appell, die sie ihm allmorgendlich mit auf den Weg gibt. „Keine Sorge”, sagt Franz Grüne-Berz dann. „Ich komm' schon wieder zurück!”