Berlin. Wenige Themen im politischen Geschäft sind so sensibel wie die Rente. Kanzlerin Angela Merkel erfuhr das spätestens im vergangenen Jahr, als die Große Koalition die Rente außerplanmäßig um 1,1 Prozentpunkte erhöhte. Merkel musste den Beschluss an zwei Diskussionsfronten in Schutz nehmen.

Viele Rentner empfanden die Erhöhung als lächerlich gering, während auf der anderen Seite nicht nur jüngere Politiker vor den Kosten warnten, weil selbst eine moderate Anhebung bei 20 Millionen Rentnern Milliarden kostet. Altbundespräsident Roman Herzog befeuerte die Debatte, indem er vor einer „Rentnerdemokratie” warnte. „Die Älteren werden immer mehr, und alle Parteien nehmen überproportional Rücksicht auf sie. Das könnte am Ende in die Richtung gehen, dass die Älteren die Jüngeren ausplündern”, hatte Herzog erklärt.

Als die Bundesregierung im Mai eine Rentengarantie aussprach, die im Bundestag mit fast allen Stimmen der Koalitionsfraktionen beschlossen wurde, hatte sie natürlich auch die breite Wählergruppe im Blick, die sie in der Krise beruhigen wollte. Bis heute ist diese Garantie umstritten. Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) verteidigte sie in der Süddeutschen Zeitung vom Freitag: „Fast jeden Tag rechnet ein neuer schlauer Professor oder ein neues schlaues Institut aus, dass uns der Himmel auf den Kopf fällt und alles schief geht.” Diesen „Panikmachern”, die unter Rentnern Unsicherheit verbreiteten, habe man Einhalt gebieten wollen.

Am selben Tag äußerte sich zum selben Thema Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), der für klare, aber oft unsensible Worte gleichermaßen geachtet wie beschimpft wird. „Ich kann es verstehen, wenn man in der Krise Sicherheitssignale an breite Bevölkerungsschichten wie die Rentner geben will. Ich habe aber große Zweifel, ob das für nachfolgenden Generationen das richtige Signal ist”, sagte Steinbrück der Frankfurter Rundschau. Der jetzigen Rentnergeneration gehe es so gut wie niemals einer Rentnergeneration zuvor. Während andere um Arbeitsplätze bangten, stiegen in der Krise die Renten so stark wie seit mehreren Jahren nicht.

Schadensbegrenzung

Zwar betonte Steinbrück im ARD-Morgenmagazin, er stelle die Rentengarantie nicht in Frage, aber für differenzierte Betrachtungen ist das Thema offenbar zu sensibel. Die Diskussion war in der politischen Welt. Die Sprecher von Steinbrück und Scholz versuchten, jeden Verdacht zu zerstreuen, zwischen den Parteifreunden herrsche Streit. Steinbrücks Äußerungen würden „weit überinterpretiert”, sagte sein Sprecher. Der Minister habe nur darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung, die für eine bestimmte Gruppe von Vorteil sei, mit Nachteilen für eine andere Gruppe erkauft werden müsse. Mit dem Blick auf die zusätzliche Schuldenlast aus der Krise, die von den Jüngeren getragen werden müsse, habe Steinbrück klar machen wollen, dass man sich jetzt mehr um diese Generation kümmern müsse. Der Sprecher von Scholz wollte gar keine Kritik erkennen. „Das ist eine überzeichnete Interpretation.”

Wenn Steinbrück wirklich Kritik an Parteifreunden üben will, dann tut er es normalerweise so, dass kein Interpretationsbedarf besteht. Als einige Genossen ihm einmal zu zaghaft vorkamen, nannte er sie öffentlich „Heulsusen”. Ein paar Wochen lang flogen ihm die Herzen zwar eher weg als zu, aber geheult wurde jedenfalls nicht mehr.