Für den Versuch, gemeinsam einen regionalen Flächennutzungsplan aufzustellen, ernteten Essen, Bochum, Oberhausen, Mülheim, Herne und Gelsenkirchen nur Kritik. Von einem Gutachter, der nun selbst in der Kritik steht

Essen. Immer wieder wird kritisiert, das Ruhrgebiet komme auf keinen grünen Zweig, weil die Städte nur ihre eigenen Kirchtürme im Blick hätten. Doch nun gerät ausgerechnet die erste Städte übergreifende Zusammenarbeit seit Jahrzehnten ins Zentrum des politischen Streits.

Das Thema des Konflikts ist spröde. Es geht um den regionalen Flächennutzungsplan, an dem die sechs Städte Essen, Bochum, Oberhausen, Mülheim, Herne und Gelsenkirchen seit 2004 arbeiten. Die Planungsgemeinschaft überschreitet nicht nur die Grenzen der beteiligten Städte und der drei Regierungsbezirke, die das Ruhrgebiet zerschneiden. Sie greift auch über Parteigrenzen hinweg: In Bochum, Herne, Gelsenkirchen, Mülheim und Oberhausen regieren SPD-Oberbürgermeister, in Essen ein CDU-Mitglied.

Lokale Perspektiven

Mit dem regionalen Flächennutzungsplan wollen sich die sechs Städte auf gemeinsame Entwicklungsziele verständigen. Unter anderem wollen sie die Grundlage für ein abgestimmtes Vorgehen bei der Ansiedlung von Betrieben, bei der Planung von Wohnungsbau- und Gewerbeflächen sowie der Entwicklung des Einzelhandels und des Regionalverkehrs schaffen.

Dass sich die Städte zur Kooperation bereit fanden, wurde vielfach gelobt. Das Ergebnis ihrer Zusammenarbeit stößt jedoch auf Kritik. Die Landesregierung beauftragte den Planungsexperten Stefan Greiving, Privatdozent an der TU Dortmund, den Vorentwurf des regionalen Planes zu bewerten. Heraus kam ein Verriss.

Greiving bemängelt, der Plan lasse an vielen Stellen eine regional abgestimmte Steuerung und Vorsorge vermissen. Die Umweltprüfung sei auf lokale Perspektiven beschränkt, das Thema großflächiger Einzelhandel nicht abschließend geregelt, der Konflikt um den Flughafen Essen/Mülheim nicht gelöst. Der Plan verfehle den landesplanerischen Handlungsauftrag. Da der Regionalverband Ruhr nach 2009 für die Regionalplanung zuständig werde, trage die Planungsgemeinschaft der Städte dazu bei, den regionalen Planungsraum des Reviers zu fragmentieren. Greivings Empfehlung an die Landesregierung: Sie solle das Experiment der sechs Städte stoppen.

Das Gutachten stößt in den sechs Städten übel auf. Ihre Planer werfen Greiving Voreingenommenheit und mangelnde Objektivität vor. Er habe schon 2003 regionale Flächennutzungspläne abgelehnt. Sein Gutachten sei „ein offensichtlicher Versuch, die Kooperation zu beschädigen”, urteilt Mülheims Planungsdezernentin Helga Sanders.

Kleinräumige Aussagen

Essens Planer Hans-Jürgen Best stellt sogar die Kompetenz des Gutachters in Frage. Über die Zukunft des Flughafens habe man keine Aussagen treffen können, weil über dessen Zukunft in beiden Städten noch keine politischen Entscheidungen getroffen seien. Kleinräumige Aussagen über den Einzelhandels seien nicht möglich, weil die gesetzlichen Vorschriften zum regionalen Flächennutzungsplan dies gar nicht zuließen. „Ein Blick ins Gesetz hätte dem Gutachter sicher weiter geholfen”, sagt Best bissig.

Inzwischen hat der Streit die Politik erreicht. Der Chef der CDU-Fraktion im Ruhrparlament, Roland Mitschke, macht sich die Kritik des Gutachters zu eigen und verlangt, die Landesregierung müsse die Kooperation stoppen. Dass damit auch die CDU-geführte Stadt Essen ausgebremst würde, ficht Mitschke nicht an. Er räumt zwar ein, dass prominente CDU-Vertreter die Planungskooperation der Städte unterstützen. „Die Fakten bieten dazu jedoch keinen Anlass”, sagt er. In dieser Woche will er sich mit den CDU-Fraktionschefs der sechs Städte die Lage diskutieren.

Unterdessen suchen die sechs Städte „einen wirklich namhaften Experten”, der ihre Planung und Greivings Gutachten bewerten soll. In einem Brief an das Wirtschaftsministerium erinnert Gelsenkirchens Planer Michael von der Mühlen daran, dass die Städte eine Reihe von Punkten, die Greiving kritisiere, mit dem Ministerium abgestimmt hätten. Greivings Kritik gehe „nahezu vollständig ins Leere”. Das NRW-Wirtschaftsministerium, das über den Fortbestand der Planungsgemeinschaft zu entscheiden hat, hält sich bisher bedeckt. Man müsse zunächst das Gutachten auswerten, erklärte ein Sprecher.

> Diskussion: Ein regionaler Flächennutzungsplan - eine gute Idee?