Berlin. Zum 60. Geburtstag des Grundgesetzes zeigt der Martin-Gropius-Bau in Berlin die Ausstellung „60 Jahre. 60 Werke”. Die Schau mit Werken von Künstlern wie Georg Baselitz, Jörg Immendorff und Jonathan Meese soll zum Nachdenken über die historische Situation Deutschlands anregen.

Sechzig Werke von sechzig Künstlern – lässt sich damit die komplette Geschichte der bildenden Kunst in der Bundesrepublik Deutschland dokumentieren?

Nein, sicher nicht. Zumindest nicht in einem auch nur annähernd umfassenden Sinne. Zu reichhaltig, zu vielschichtig hat sich die Kunstszene nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt. Den Kuratoren war das von Beginn an bewusst. Deshalb will die Ausstellung „Sechzig Jahre. Sechzig Werke”, die am 30. April von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Berliner Martin-Gropius-Bau eröffnet wird, vor allem eines: bedeutende Arbeiten zeigen, die die Kunstwelt nachhaltig beeinflusst haben.

Das Konzept geht auf

Einige Namen: Willi Baumeister, Günther Uecker, Markus Lüpertz, Jörg Immendorf, Joseph Beuys, Gerhard Richter. Und um das schon einmal vorweg zu nehmen: Das Konzept geht auf. Ganz hervorragend sogar.

Von der Stiftung für Kunst und Kultur Bonn und der Zeitung „Bild” gemeinsam initiiert, besteht für die Ausstellung natürlich ein konkreter Anlass. Sechzig Jahre Grundgesetz lautet der, oder genauer gesagt: sechzig Jahre Artikel 5, Absatz 3. „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei”, heißt es darin. Ein Satz, der nach 1945 enorme kreative Kräfte freigesetzt hat. „Die Deutschen haben eine Kulturblüte nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt, die beispiellos ist”, betont Peter Iden, neben Walter Smerling Sprecher des neunköpfigen Kuratoriums.

Insgesamt 148 Exponate

Die Deutschen – damit sind freilich die Bürger der Bundesrepublik gemeint. Und zu der gehörten bis 1990 nun einmal nur die westdeutschen Bundesländer. Dass die Ausstellung das künstlerische Schaffen in der DDR außen vor lässt, dürfte bei dem einen oder anderen auf Kritik stoßen. Die weisen die Verantwortlichen allerdings entschieden von sich: „Natürlich hat es in den Jahren 49 bis 89 auch in der DDR Kunst und Kultur gegeben”, räumen Iden und Smerling ein. „,Sechzig Jahre. Sechzig Werke' zeigt aber die künstlerischen Positionen, die auf der sicheren Grundlage des Grundgesetzes, nämlich der staatlich garantierten künstlerischen Freiheit, ihre Entfaltung fanden.” Dass über dieses Thema innerhalb des Kuratoriums durchaus diskutiert wurde, sollte man nicht unerwähnt lassen. Der Tenor aber war letztlich eindeutig: Für die Entwicklung der Kunst spielte die DDR keine Rolle.

So viel zum Hintergrund. Jetzt aber zu den Werken. Und da muss man zunächst einmal den Titel der Schau relativieren. Gezeigt werden zwar 60 Hauptwerke, hinzu kommen aber noch weitere 88 Werke zur Ergänzung – insgesamt also 148 Exponate. Der größte Anteil gehört der Malerei. Daneben stehen, qualitativ gleichberechtigt, Skulpturen, Grafiken und Fotografien.

Was sollte man herausgreifen? Vielleicht die vier Bilder von Gerhard Richter, dem zurzeit wohl populärsten zeitgenössischen deutschen Maler.

Schnellkurs Geschichte

RWE ist Hauptsponsor

„Sechzig Jahre. Sechzig Werke” ist vom 1. Mai bis 14. Juni im Martin-Gropius-Bau in Berlin zu besichtigen. Maßgeblich unterstützt wird die Ausstellung vom Hauptsponsor RWE sowie vom Innenministerium der Bundesrepublik. Erschienen ist ein 384 Seiten starker Katalog (29,80 Euro), der die Ausstellung umfassend dokumentiert (spannend ist die Wiedergabe des ersten Planungsgesprächs).

Ausführliche Informationen sind zudem im Internet abrufbar unter www.60jahre-60werke.de. Dem Kuratorium gehören an: Götz Adriani, Robert Fleck, Siegfried Gohr, Peter Iden, Susanne Kleine, Ingrid Mössinger, Dieter Ronte, Frank Schmidt und Walter Smerling.

Der „Tiger”, gemalt im Stil des verwischten Fotorealismus, ist sicher die bekannteste Arbeit. Wirkungsvoll ist aber auch das großformatige Alpen-Gemälde (zwei Meter mal 6,50 Meter) oder die „Sechs Farben”, ein Bild aus Richters Phase abstrakter Malerei. Zu den renommierten Arbeiten gehört ebenso ein mit Filz überzogener Konzertflügel von Joseph Beuys (1966), dem innerhalb der Ausstellung ein ganzer Raum gewidmet ist. Oder: Anselm Kiefers mehr als zwölf Quadratmeter großes Gemälde „Wege der Weltweisheit – die Hermanns-Schlacht” aus dem Jahr 1980.

Neben ihrer Bedeutung für die Kunstentwicklung in der Bundesrepublik haben die meisten der präsentierten Werke noch etwas gemeinsam, nämlich eine unmittelbare ästhetische Wirkung auf den Betrachter. Vereinfacht könnte man sagen: Die Arbeiten sind im besten Sinne spektakulär. Und gerade das dürfte die Schau für viele Besucher besonders reizvoll machen. Andere Ausstellungen aus jüngster Zeit, wie etwa die Moma-Ausstellung in Berlin oder auch die Caspar-David-Friedrich-Ausstellung im Museum Folkwang, haben das ja eindrucksvoll bewiesen.

Und als ob das allein noch nicht reichen würde, kann der Besucher noch einen Schnellkurs in deutscher Nachkriegsgeschichte erleben. In zwei separaten Räumen vermitteln 60 Kurzfilme mit Archivmaterial des WDR sowie sechs interaktive Informationstische den zeithistorischen Hintergrund. Eine nicht zwingend notwendige, aber dennoch willkommene Ergänzung zu den Kunstwerken.

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