Washington. Angela Merkel gibt sich bei ihrem USA-Besuch als kontinentale Politikerin: „Müssen mit einer Stimme sprechen”

Manchmal staunt Angela Merkel über sich selbst. Wie selbstverständlich ihr dieses „wir in Europa” über die Lippen geht. Sie ist die Kanzlerin, und doch spürt Merkel gerade hier in Washington, dass sie besser als Europäerin auftrumpfen kann. Sie steht auf einer Bühne in der Library of Congress, der größten Bibliothek der Welt, und soeben hat sie den Warburg-Preis der „Atlantik-Brücke” bekommen. Es ist ein rührender Moment, man möchte die Zeit anhalten.

Ein Blick auf die Zuhörer fängt indes die ganze Tristesse auf: Es ist nicht das neue Washington von Barack Obama, das ihr an den Lippen hängt und die deutsch-amerikanische Freundschaft feiert. In der ersten Reihe sitzen ein altgedienter republikanischer Senator und Walter Leisler Kiep, der frühere CDU-Schatzmeister. Es sind Leute, für die man in Amerika einen unbarmherzigen Ausdruck erfunden hat: „has beens”. Sie waren mal wer. Da bringt sich ¸Merkel besser als Europäerin ins Spiel. „Wir haben verstanden, dass wir mit einer Stimme sprechen müssen”, ruft sie, „dann sind wir 500 Millionen Menschen, wir können einiges in die Waagschale werfen.”

Der Warburg-Preis war der Auftakt ihres Besuchs. Es trifft die Richtige. Den Gästen erzählt Merkel, wie ihre Lebensplanung einst in der DDR aussah. An dem Tag, an dem sie in Rente gehen würde, wollte Merkel in den Westen ziehen, sich einen Pass holen „und sich sofort aufmachen nach Amerika”. Ihr Leben nahm einen anderen, einen wundersamen Lauf, nun fährt sie im Weißen Haus vor. Sie besucht Barack Obama, den US-Präsidenten, der „Türen aufstößt” (Merkel).

Um das Klima geht es bei ihrer Reise. Das Repräsentantenhaus berät ein weitgehendes Gesetz. „So nah waren wir uns noch nie”, meint Merkel. Bis 2020 würden die USA ihre Emissionen um 17 Prozent senken, wohlgemerkt: von heute an gerechnet. Das ist für die Amerikaner ein großer Schritt, für die Menschheit ein kleiner. Merkel meidet Kritik. Zum einen ist das Gesetz noch nicht durch, zum anderem wäre es das erste Mal, dass die USA verbindliche Ziele fixieren, die Instrumente benennen und sich auf einen Emissionshandel nach europäischem Vorbild einlassen. Es wäre ein Anfang; ein Wink an die Schwellenländer, dass die USA sich nicht davonstehlen.

Eine Klimafrage anderer Natur stellt sich im Verhältnis zu Obama. Als Kandidat hatte sie ihn in Berlin empfangen. Später folgten zwei bilaterale Treffen mit dem US-Präsidenten. Die Begegnung in Washington ist die längste und intensivste. Obama weckt Merkels Interesse, fasziniert sie: dieser Lebenslauf! Ein unverhoffter Siegeszug, wie bei ihr, der Frau aus dem Osten, die keiner auf der Rechnung hatte. Er geht die Dinge rational, nüchtern analytisch an; fast wie ein Naturwissenschaftler. Es kommt ihr entgegen. Sie muss nur herausfinden, was an ihm Coolness und was Kühle ist. Bisher wurden sie nicht warm.

Er hat der Welt Aha-Erlebnisse beschert. Barack Obama ist ein erfolgversprechender Mann, aber noch kein erfolg-reicher Präsident. Erfolgversprechend war seine Rede in Kairo – aber im Nahost-Konflikt kommt er nicht voran. Erfolgversprechend ist die militärische Konzentration in Afghanistan – ein Erfolg steht aus. Erfolgversprechend sollte die Politik der „ausgestreckten Hand” gegenüber dem Iran sein – ergriffen wird sie derzeit nicht. Erfolgversprechend ist das Eingreifen mit Milliarden in der Finanzkrise.

Aber Merkel fragt auch nach einer Exit-Strategie; danach, wann das Geld wieder aus dem Markt gepumpt wird. Sie ist das wandelnde „Ja, aber” unter seinen Verbündeten. Er wird sich daran noch gewöhnen.