Düsseldorf. Künftig sollen nur noch speziell geschulte Ärzte Totenscheine ausstellen dürfen. NRW will das Bestattungsgesetz ändern. Denn 1200 Tötungsdelikte im Jahr blieben unentdeckt.

Unerwartet verstorbene Menschen sollen künftig in NRW professioneller als bisher begutachtet werden, um einen gewaltsamen Tod auszuschließen. Das geht es aus einem Eckpunktepapier des Landessozialministeriums hervor, das eine Reform der im Bestattungsgesetz festgelegten Leichenschau vorsieht.

Danach sollen künftig nur noch speziell geschulte Ärzte die Leichenschau durchführen dürfen. Diese sollen mit Hilfe der Kenntnisse der rechtsmedizinischen Institute unterrichtet werden. „Es darf nicht mehr wie heute vorkommen, dass ein Augenarzt im Notdienst, der fünf Jahre keine Leiche mehr gesehen hat, einen Toten untersucht”, beschreibt Stefan Romberg, sozialpolitischer FDP-Fraktionssprecher und Facharzt für Nervenheilkunde, der WAZ das Ziel der Reform. Er spricht davon, dass nach Experten-Schätzungen jedes zweite Tötungsdelikt im Lande durch schlampige Leichenschau nicht entdeckt wird.

Bis zu 1200 Mal falsch geurteilt

Auch Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) zeigt sich über heutige Fehler bei der Leichenschau besorgt. „Rechtsmediziner gehen von möglicherweise 1200 Fällen jährlich in Deutschland aus, in denen bei der Leichenschau Anzeichen für Tötungsdelikte übersehen werden.” Eine Gesellschaft dürfe es nicht hinnehmen, dass Straftaten ungesühnt blieben, nur weil der Totenschein falsch ausgefüllt wurde und mit der Beerdigung die Beweise mit begraben werden.

Eigentlich muss jeder Arzt auch schon heute nach § 9 des NRW-Bestattungsgesetzes eine sorgfältige Leichenschau durchführen, dabei den Toten vollständig entkleiden und von allen Seiten untersuchen. Doch die Praxis sieht anders aus: Bei einer Befragung gab nur ein Viertel der Ärzte an, die Leiche stets zu entkleiden - auch weil Angehörige dies als „unangemessen und in der Trauer störend” ansehen.

Konferenzen über Tote

Das Eckpunktepapier befindet sich nach Regierungsangaben in der Abstimmung zwischen den Ministerien und soll bis zum Sommer ins Kabinett gebracht werden. Dabei soll die Qualität der Totenschau auch in Krankenhäusern verbessert werden: Ein Todesfall soll auf Konferenzen diskutiert werden - und der behandelnde Arzt soll auf keinen Fall mehr den Totenschein ausstellen.