Berlin. Gerd Dembowski kämpft gegen Rassismus und Diskriminierung in Stadien. Er hält Vorträge von Hannover bis Buenos Aires. Mit seiner Ausstellung „Tatort Stadion” sorgte er auch schon mal für einen Eklat.

Eine Seitenstraße im Berliner In-Bezirk zwischen Neukölln und Kreuzberg, Graffiti an den Hauswänden, Altbau. Hier wohnt Gerd Dembowski, 36, Fußball-Soziologe. Er lebt in einer Zweier-WG im dritten Stock. Klamotten liegen auf dem Boden seines Zimmers. Viel Zeit zum Aufräumen hat er nicht. Bald muss er weiter. Nach Hannover, Brüssel, London.

Überall kämpft Dembowski gegen Rassismus und Diskriminierung in Fußballstadien. Er liest aus seinen Büchern, erzählt von seiner Arbeit beim Bündnis aktiver Fußballfans (BAFF) und fasst Vorträge zusammen, die er in kleinen Kneipen, aber auch vor dem EU-Parlament in Straßburg und bei einem Fifa-Kongress in Buenos Aires gehalten hat.

Und jetzt sitzt der Mann, der fast die ganze Welt schon gesehen hat, in der Mini-WG-Küche, schlürft seinen heißen Tee und verweist darauf, dass er kein Wurstbrötchen anbieten kann. Weil er vegan lebt, also auf alle tierischen Produkte verzichtet. Draußen fegt der Abendverkehr Berlins Richtung Kottbusser Tor, drinnen erzählt Dembowski von seinem Fan-Aha-Erlebnis. 29. Juni 1992, Fußball-Relegationsspiel zur 1. Bundesliga, FC St. Pauli gegen Stuttgarter Kickers. Dembowski, damals 20, stand in der St. Pauli-Kurve. „Die hatten alle bunte Haare, sahen so aus wie ich. Da habe ich mich am wohlsten gefühlt.” Der FC St. Pauli verlor 1:3 und stieg ab, Dembowskis Interesse für die Fankultur blieb. Als frisch eingeschriebener Student an der Uni Duisburg besuchte er ein Seminar des Fanforschers Dieter Bott. Und kam so ins sozialpädagogische Fanprojekt beim MSV Duisburg.

Schon ein Jahr danach gründeten ein paar Leute BAFF – etwas Neues in der deutschen Fußballfankultur. „Wir haben uns in verrauchten Kneipen getroffen. Dortmunder, Bochumer, Duisburger”, sagt er. Es gab erste Aktionen. Zum Beispiel gegen die Entzerrung der Bundesliga-Spieltage. „Bei gefühlt minus 21 Grad haben wir bei einem Montags-Zweitligaspiel Bochum gegen Duisburg Unterschriften gesammelt.” BAFF kämpfte gegen die Versitzplatzung in den entstehenden neuen Arenen – mit Erfolg, siehe Schalke. „In England beneiden sie uns für diese paradiesischen Zustände.”

England! Schon früh begriff Dembowski, dass internationale Netzwerke nötig sind. Er gründete „Football against racism in Europe” – kurz „fare”. Als fare- und BAFF-Sprecher kam Dembowski an EU-Gelder für die Ausstellung „Tatort Stadion”. In seinem Studenten-Hinterzimmer in Duisburg erstellte er die Info-Stellwände – zu Themen wie „Homophobie”, „Migranten”, „Antisemitismus”. In Berlin und Hamburg wollte er die Ausstellung zeigen. Es wurden 100 Orte in fünf Jahren.

Überall kamen Fans und sogar Fußballprofis. Dembowskis Tenor: „Rassismus ist nicht nur verortet in Fankurven, sondern auch bei Trainern und Funktionären.” Dem damaligen DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder hielt Dembowski Zitate vor, zum Beispiel „Was wird aus der Bundesliga, wenn die Blonden über die Alpen ziehen und statt dessen die Polen, diese Furtoks und Lesniaks, spielen?“ Ein Eklat. Der DFB zog 5000 Euro Unterstützung für die Ausstellung zurück. Machte nichts. Dembowski hatte sein Ziel erreicht – Diskussionen in den Fankurven.

Die will er immer noch beleben. Mit seinen Auftritten national und international. BAFF soll „das Gewissen der Fans” sein. Er sei sozialromantisch, sagt er. „Wenn genug Menschen aufstehen und sich bemerkbar machen, kann man was bewegen, gerade im Fußball.” Und vielleicht outet sich ein homosexueller Fußballer, auch wenn Dembowski das noch als „unabsehbar” bezeichnet. Und vielleicht entdecken die Vereine Migranten als Fan-Klientel. „Die Kids rennen zwar mit Trikots von Bundesligisten herum, gehen aber nur selten ins Stadion.”

Dort ist Dembowski im Moment eher selten. Er will reden, reden, reden. Daher nimmt eine ausgedruckte Bahn-Fahrkarte von seiner Pinnwand. Nächste Station Hannover.

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