Düsseldorf. Die Gesetzespläne für eine unterirdische C02-Speicherung sind vorerst gescheitert. Die Wirtschaftspolitiker in NRW fürchten erheblichen Schaden für das Land. Wie eine zukunftsweisende Technologie von Missmanagement und Untätigkeit blockiert wird und den Standort NRW gefährdet.
Christa Thoben könnte noch heute aus der Haut fahren, wenn sie an die Umstände der jüngst gescheiterten Gesetzespläne für eine unterirdische Speicherung des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) denkt. Ob Politik, Verwaltung oder Wirtschaft: Sie alle hätten in ihrer Pflicht, für die geplante Erprobung an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste zu werben, komplett versagt. Es habe „nicht mal den Versuch gegeben, für Akzeptanz in der Bevölkerung zu sorgen”, tadelt die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin. „Der absolute Knüller war, dass Vorprüfer über die Felder marschierten, ohne vorher die Landwirte zu informieren.”
Image-Schaden droht
Seit der Fraktionschef der CDU-CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, vor wenigen Tagen die Gespräche wegen Unstimmigkeiten über Haftungs- und Eigentumsfragen für beendet erklärte, sind die Wirtschaftspolitiker an Rhein und Ruhr in heller Aufregung. Sie fürchten nicht nur die Absage an die möglicherweise klimapolitisch segensreiche CCS-Speichertechnologie („Carbon Capture and Storage”), sondern vielmehr einen weitreichenden Image- und Konjunkturschaden für NRW. Zumal mit der geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline von Dormagen nach Uerdingen der Bayer AG ein weiteres Großprojekt mit Signalwirkung auf der Kippe steht. „Diese Technik ist unverzichtbar, wir sollten sie schnellstens einführen”, mahnt der Düsseldorfer Unions-Parlamentarier Christian Weisbrich. „Wir sind auf CCS angewiesen”, ergänzt sein FDP-Kollege Dietmar Brockes.
Auch aus der SPD kommt kein Widerspruch. Im Gegenteil. „CCS wird zur Erfüllung unserer Klimaziele eine wichtige Rolle spielen”, betont der Landtagsabgeordnete Norbert Römer. Der NRW-SPD-Chefin Hannelore Kraft liegt CCS sogar dermaßen am Herzen, dass sie jetzt einen eindringlich formulierten Brief an Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) schickte. „Ein Scheitern würde NRW massiv schaden”, schreibt sie. „Lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen, dass dieses für Klimaschutz und Arbeitsplätze so wichtige Projekt nicht scheitert. Dies wäre für NRW ein fatales Signal.”
"Überrumpelungs-Gesetz"
Zum Hintergrund: RWE Power plant in Niederaußem eine milliardenschwere Pilotanlage. Aber auch das wegen der fehlenden Gesetzesgrundlage gefährdete „Verbundprojekt Coast” in Schleswig-Holstein ist für NRW von erheblicher Bedeutung: Die dortigen Speicherstätten sollen ab 2015 über eine 530 Kilometer lange Pipeline mit jährlich zwei Millionen Tonnen CO2 aus einem RWE-Kraftwerk in Hürth gefüllt werden. Mit „dem geplanten Überrumpelungs-Gesetz”, moniert der NRW-Grüne Reiner Priggen, habe man jedoch eine große Chance vertan, fair und sachlich auf die Chancen und Risiken der Unter-Tage-Lagerung hinzuweisen. Dennoch, Wirtschaftsministerin Thoben hat sich bereits festgelegt: „CCS ist eine Chance – wir sollten sie ergreifen” – und in der nächsten Legislaturperiode schnellstmöglich einen neuen Gesetzesanlauf starten.
Wissenschaftler wie Manfred Fischedick, Vizepräsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie, sind naturgemäß weniger euphorisch denn pragmatisch. Der Handlungsdruck sei aufgrund der rasant voranschreitenden Erd-Erwärmung und des weltweit steigenden Energiebedarfs „erheblich größer” geworden. Zwar gebe es zur CCS-Technik noch einige offene Fragen und Unsicherheiten. „Aber CCS kann sich durchaus zum Exportschlager entwickeln”, prophezeit der Forscher. „Auch zum Vorteil von vielen nordrhein-westfälischen Unternehmen.”