Essen. Als wäre eine Krise nicht genug, kommen die Probleme nun im Doppelpack. Können wir es uns leisten, inmitten der Wirtschaftskrise Milliarden in die Bekämpfung des Klimawandels zu investieren? Ein Kongress beschäftigt sich erstmals mit den gesellschaftlichen Konsequenzen der Erderwärmung.

Lohnt sich Klimaschutz? Vor allem jetzt in Zeiten der Finanzkrise? Der Klimaökonom Prof. Ottmar Edenhofer beantwortet die Frage prompt mit einer Gegenfrage: „Worum geht es eigentlich – um eine Bedrohung für unseren Wohlstand oder um die Gefährdung unserer Lebensgrundlagen?”

Die Wurzel beider Krisen: Wirtschaften auf Kosten anderer

Edenhofer, Inhaber des weltweit einzigen Lehrstuhls für die Kosten des Klimawandels, ist überzeugt, dass beide Krisen – die des Klimas und die der Finanzmärkte – einen gemeinsamen Nenner haben: das Wirtschaften auf Kosten anderer. „Eines hat sich in unser Denken eingebrannt: Ökonomisches Wachstum und das Verbrennen fossiler Energieträger gehen Hand in Hand”, sagt Edenhofer bei dem Klimakongress des Kulturwissenschaftlichen Instituts (KWI) und der Stiftung Mercator in Essen. Erstmals stellt eine große internationale Klimatagung die Frage, wie Kultur und Gesellschaft auf die Erderwärmung reagieren werden.

Der hohe Ölpreis sei ein Desaster für die Klimaschutzpolitik, führt Edenhofer aus. Je teurer das Barrel werde, desto stärker werde der Druck, auf die klimaschädliche Kohle zurückzugreifen: „Kohle ist das größte Umweltproblem des 21. Jahrhunderts”, spitzt Edenhofer zu. Und es erschrecke ihn zu beobachten, dass es weltweit eine Renaissance dieses Energieträgers gebe. Der kanadische Klimaforscher Thomas Homer-Dixon weist darauf hin, dass in wenigen Jahrzehnten der Höhepunkt der Ölforderung erreicht sein wird. „Der Griff zur Kohle wird die Folge sein”, sagt er.

Jetzt und heute handeln

Die Klimaforscher sind besorgt. Hans Joachim Schellnhuber und Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung mahnen, mit der Verringerung des Kohlendioxid-Ausstoßes endlich zu beginnen. „Wir haben noch fünf, sechs Jahre Zeit, um den Anstieg der Emissionen zu stoppen”, sagt Schellnhuber, der Bundeskanzlerin Angela Merkel berät. „Es ist ein Skandal, dass wir jetzt erst die ersten Baby-Schritte machen, obwohl wir seit Jahren die Folgen des Klimawandels wissenschaftlich beschreiben.”

Stefan Rahmstorf zeigt bei seinem Vortrag auf, dass der Mensch einen Prozess in Gang gesetzt habe, der sich selbst zu verstärken droht. Die Wälder und Meere dieser Welt würden weniger CO2 speichern, das arktische Eis und das Grönland-Eisschild schmilze dramatisch schneller, als es sich die Wissenschaftler vorstellen konnten. Schellnhuber richtete des Blick auf die wichtige Rolle des Regenwaldes, der große Mengen CO2 binde und somit den Klimawandel bremse. „Doch der Regenwald wird abgeholzt. Es ist verrückt.” Es sei, als sitze die Menscheit in einem Bus und schneide die Bremsseile durch, verdeutlich Schellnhuber die Lage. Potenziert werde die Erwärmung durch das Auftauen der Permafrostböden in Sibirien, wodurch riesige Mengen Klimagase frei werden. Rahmstorf: „Die Zeit läuft uns davon.”

Die Klimaforscher appellieren, dass der Anstieg der Temperaturen auf der Erde im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter in diesem Jahrhundert auf zwei Grad beschränkt werden müsse. Dies gäbe ein wenig Sicherheit, die Klimaveränderungen womöglich beherrschbar zu machen. Edenhofer nennt das „eine der größten historischen Herausforderungen der Menschheit”. Schellnhuber nennt es „die Neuerfindung der Industriegesellschaft”. Edenhofer hält es für machbar, die Kosten etwa für die Investitionen in saubere Energien zu stemmen. Ein bis zwei Prozent des Bruttosozialprodukts müssten Volkswirtschaften jährlich aufwenden, um den Übergang in ein kohlenstoffarmes Zeitalter einzuleiten. „Wenn wir zögern, wird es noch teurer.”

Eine Frage der Gerechtigkeit sei es, die noch nutzbaren fossilen Energien zu verteilen. „Enteignet die Ölscheichs und die Kohlebarone dieser Welt”, sagt Edenhofer.