Den berühmtesten Bugatti, den Royale, schmückt ein tanzender Elefant. Größe und Größenwahn sind bei der Marke untrennbar verbunden – bis heute.

Ettore Bugatti ist der Sonnenkönig des Automobilbaus. Nur im Stakkato lässt sich seine Geschichte herunterhämmern. Sie beginnt mit „EB”s reichlich durchgeknalltem Künstler-Vater Carlo und endet tragisch am Ort des tödlichen Unfalls des eigenen Sohns.

Extremmöbel-Designer Carlo wünscht sich einen seiner beiden Söhne als Künstler, den anderen als Konstrukteur. Doch Ettore und Rembrandt tauschen die ihn zugedachten Rollen. Als autodidaktisch geschulter Techniker arbeitet Ettore früh für einige Großen der jungen Branche, letztlich aber ohne großen Erfolg.

Bugatti
Bugatti © Fremdbild

Mit seinem zehnten Auto-Entwurf macht sich der junge Italiener im Dienste der berühmten Deutzer Motorenfabrik von Viertakterfinder Nikolaus Otto vor 100 Jahren selbstständig und zieht ins noch deutsche Elsass. Nummer zehn entsteht noch in Köln. Um das so genannte Vollblut an den Firmensitz in Molsheim abtransportieren zu können, muss die Kellerwand der Villa eingerissen werden, ein legendärer Beginn.

Während die meisten anderen um eimergroße Kolben und Zylinder monströse Fahrmaschinen schmieden, setzt der gerne skizzenhaft arbeitende Techniker Ettore bereits auf leichte Hightech-Lösungen. „Das Gewicht ist der Feind” ist der Bugatti-Sinnspruch dazu. Der Krieg stoppt 1914 erst einmal auch ihn. Sofort entscheidet sich der deutsche Italiener für seine Wahlheimat Frankreich, was ihm die Franzosen nie vergessen werden.

Die großen Stunden nach 1918

Nach 1918 beginnen seine großen Stunden zu schlagen. Seine Leichtbaukonstruktionen dominieren die Rennstrecken, und der T35 wird zum erfolgreichsten Rennauto seiner und aller Zeiten. Gerne zählt Ettore auch die Siege bei Schönheitswettbewerben einfach mit.

Jetzt hat Bugatti das Geld, Luxuslimousinen mit Rennmotoren zu bauen, und er tut es mit Leidenschaft. Gern wird er der Künstler unter den Konstrukteuren genannt. Das ist sicher übertrieben. Aber Bugatti strebt nach einer Einheit von Form und Funktion, der das Überfrachtete des Kutschenbaus fremd ist. „Ein Produkt ist erst perfekt, wenn es auch vom ästethischen Standpunkt her perfekt ist”, sagt er.

In einer kurzen Blütezeit in den Zwanzigern bis zur Weltwirtschaftskrise entstehen in Molsheim eine Reihe zeitloser Ikonen des Automobilbaus. Hochtechnologie, Stil und Luxus kommen zusammen, unbeeindruckt von Marketingmätzchen. Wir sind Bugatti: neben dem T35 der Typ 57 SC Atlantic mit seiner wie im Flugzeugbau genieteten Falz auf dem Dachrücken und der königliche 41 Royale. Den nur eine Handvoll Male gebauten Royale schmückt die Kühlerskulptur eines auf zwei Beinen tanzenden Elefanten. Gestaltet hatte ihn Ettores jüngerer Bruder Rembrandt, der im Jahr 1916 Selbstmord begangen hatte.

Bugatti ist ein Besessener

Bugatti
Bugatti © Fremdbild

Bugatti ist ein Besessener und ein Patriarch alter Schule. Ganz Majestät beschäftigt er einen Extramann, der täglich die vielen Messingtürknöpfe in Molsheim blank polieren muss. Ganz Pedant lässt er die Zahl der dabei verbrauchten Putzlappen protokollieren. Ettore liebt neben Terriern Pferde, daher die Hufeisenform des Bugatti-Kühlergrills. Er ist ein Erfinder von 1000 Dingen wie Sicherheitsrasierapparat, Hundeausführautomat und automatischem Segelboot. Ein großer Geschäftsmann ist er nicht. Aber eigensinnig: Kunden, deren Benehmen ihm nicht passt, schmeisst er raus.

Und so nimmt die Geschichte ihren Lauf. Die Weltwirtschaftskrise erwischt Bugatti in dem Moment, als der riesige Royale erscheint: 13 Liter Hubraum, 300 PS, 200 km/h, das wahrscheinlich berühmteste Auto aller Zeiten. Doch dieser Überfluss an allem ist selbst den Königen dieser Zeit zu viel. Die zu viel produzierten Motoren sollen noch Flugzeuge und Torpedoboote antreiben, letztlich landen sie in Schienenbussen. Als „seine” Arbeiter sich 1936 am französischen Generalstreik beteiligen – das Elsass fällt nach dem ersten Weltkrieg an Frankreich – wirft der Patron beleidigt die Brocken hin.

Sein Sohn verunglückt

Es kommt noch schlimmer. Sein Sohn Jean übernimmt die taumelnde Firma, verunglückt aber 1939 bei einer Testfahrt tödlich. Kurz zuvor hat Bugatti noch einmal das berühmte 24-Stunden-Rennen von LeMans gewonnen, ein letztes Aufbäumen. Ettore lässt den Unglückswagen auf dem Firmengelände vergraben. Das Zeitalter der Patriarchen im Autobau ist endgültig abgelaufen.

Klar wird das erst nach 1945. Während des Krieges arbeitet Ettore an Zukunftsweisendem: einem Kleinwagen etwa und einem Motorfahrrad, dem später überaus erfolgreichen französischen Volks-Mofa Velo-Solex ähnlich. Und er hat zwei uneheliche Kinder mit dem 40 Jahre jüngeren Model Genevieve, das er später auch heiratet.

Aber der Versuch, das Automobilunternehmen wiederzubeleben, scheitert kläglich. Ironischerweise wird der Rettungshalm ausgeschlagen. Porsche wollte 1950 eigentlich seine Sportkäfer in Molsheim endmontieren, aber der Werksleiter lehnte ab.

Ein Zusammenbruch, von dem er sich nicht mehr erholt

Als alles am Ende ist, erleidet Ettore an Jeans Unfallstelle einen Zusammenbruch, von dem er sich nicht mehr erholt. Knapp 8000 Autos hat Bugatti auf die Räder gestellt, fast 2000 fahren heute noch.

Epilog: „Bugattismus” nennt man die Krankheit haltloser Verehrung für „La Marque”. Viele, die sie sich leisten können, sind ihr verfallen. Unheilbar erkrankten zwei verrückte Tyrannenmuttersöhnchen unweit von Molsheim. Die Schweizer Gebrüder Fritz und Hans Schlumpf steckten umgerechnet hundert Millionen Euro in eine Sammlung von 200 Bugatti, heimlich auf Firmenkosten in Mulhouse bei Basel aufgebaut. Am Ende, 1977, kostete der Wahn der Schlümpfe Tausende Arbeiter in ihren Textilfabriken den Job. Was blieb, ist die einzigartige Sammlung. Und eine sonderbare Geschichte wie eine bittere Pointe auf dem Grabstein Bugattis.