Essen. Der Islamforscher Muhammad Sven Kalisch in Münster hat einen folgenschweren Streit ausgelöst: Er bezweifelt die Existenz des Propheten Mohammed. Nun ist die Lehrer-Ausbildung für islamischen Religions-Unterricht ungeklärt.
Der Islam in Deutschland macht in diesen Tagen eine Aufsehen erregende Entwicklung durch. Dabei ist es zu einem folgenreichen Krach zwischen dem Koordinierungsrat der Muslime und Professor Muhammad Sven Kalisch von der Universität Münster gekommen. An seinem Centrum für Religiöse Studien sollen die ersten Lehrer für den islamischen Religionsunterricht ausgebildet werden.
Der Streit entzündete sich an Äußerungen des islamischen Theologen Kalisch über Mohammed. Kalisch sagt, „es kann nicht widerlegt werden, dass er gelebt hat, aber auch nicht bewiesen”. Er jedoch neige „zunehmend dazu, anzunehmen, dass er nicht gelebt hat, jedenfalls nicht so, wie ihn der Koran und die Hadithe, die Überlieferungen, beschreiben”. Zudem fordert er für die islamische Theologie eine historisch-kritische Forschung – sie berücksichtigt Zeitumstände bei der Koran-Auslegung.
Muslime kündigen die Zusammenarbeit auf
Starker Tobak für die organisierten Muslime. Sie beendeten die Zusammenarbeit im Beirat des Centrums für Religiöse Studien. Der Koordinierungsrat der Muslime (KRM) erklärte, er könne muslimischen Studenten nicht länger empfehlen, dort zu studieren. Dem KRM gehören die vier größten muslimischen Verbände an. „Wir können doch nicht den Propheten in Frage stellen”, sagte Ali Kizilkaya, Sprecher des KRM, der WAZ. „Die historisch-kritische Herangehensweise lehnen wir ab. Der Koran ist aus unserer Sicht vollkommen. Wir glauben, das ist Gottes Wort.”
Für das NRW-Wissenschaftsministerium hat der Streit Konsequenzen für die Lehrerausbildung in Münster. „Wenn vier Verbände dagegen sind, verliert die Ausbildung natürlich an Akzeptanz”, so ihr Sprecher Andre´ Zimmermann. „Wir müssen Alternativen suchen.” Da die Forschung frei ist, ist Kalisch davon aber nicht betroffen.
Ob der Streit auch Auswirkungen auf den von allen Seiten gewünschten bekenntnis-orientierten islamischen Religions-Unterricht hat, darüber gehen die Meinungen auseinander. Er scheiterte bisher daran, dass dem Staat ein Partner für die Absprache über Lehr-Inhalte fehlt. Wenn der Koordinierungsrat jetzt beansprucht, eine Art Lehrbefugnis zu übernehmen, heißt das offenbar, dass sich die organisierten Muslime genau darauf verständigt haben. Das wäre eine neue Grundlage.
Der Streit indes kam für Experten nicht überraschend. Hans-Jörg Schmid von der katholischen Akademie Stuttgart, der Kalisch mehrfach zu Diskussionen einlud, macht auch strukturelle Bedingungen mitverantwortlich. „Das Verhältnis ist wohl auch deshalb angespannt, weil es bisher nur diesen einen Lehrstuhl für islamische Theologie gibt. Daher haben die muslimischen Verbände Professor Kalisch besonders in den Focus nehmen können.” Die Bundesländer sollten stattdessen bundesweit eine Fakultät für islamische Theologie mit mehreren Lehrstühlen einrichten. „Die könnten die Vielfalt des Islam dann besser abbilden als ein einziger Lehrstuhl.”