Düsseldorf. Islamischen Religionsunterricht als ordentliches Schulfach wird es an den Schulen in NRW in absehbarer Zeit nicht geben. Zwischen Land und dem Koordinierungsrat der Muslime herrscht offenbar Funkstille. Dabei sollte das Projekt ab 2010 verwirklicht werden.
«Zurzeit tut sich nichts», sagt eine zuständige Sachbearbeiterin des NRW-Schulministeriums in Düsseldorf. Der Hauptstreitpunkt ist nach wie vor ungelöst: Dem Land fehlt nach Regierungsangaben ein berechtigter Ansprechpartner, der die Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft erfüllt. Eine Lösung ist derzeit nicht in Sicht: Die Gespräche zwischen Land und den vier im Koordinierungsrat der Muslime (KRM) vertretenen Verbänden stocken.
Das Ziel der schwarz-gelben Regierungskoalition, bis zum Jahr 2010 islamischen Religionsunterricht in deutscher Sprache und unter deutscher Schulaufsicht auf den Weg zu bringen, wird inzwischen als unrealistisch eingeschätzt. «Die Verbände müssen sich erst organisieren. Die Initiative kann nicht vom Ministerium ausgehen», erläutert die Mitarbeiterin des Ministeriums weiter.
Warten auf ein Signal der Muslime
Laut Grundgesetz hat nur eine staatlich anerkannte Glaubensgemeinschaft Anspruch auf Religionsunterricht an öffentlichen Schulen. Ein gerichtliches Verfahren, das diese Voraussetzung in NRW klären sollte, ruht auf übereinstimmenden Antrag der Streitparteien. Seitdem warten sowohl Landesregierung als auch der Landtag auf ein Signal vonseiten der muslimischen Verbände.
Bei allen vier im KRM vertretenen Verbänden - DITIB, Islamrat, dem Zentralrat der Muslime und dem Verband islamischer Kulturzentren - hat die Landesregierung nach eigenen Angaben befunden, dass sie keine Religionsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes darstellen. Hintergrund: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hob im Februar 2005 ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Münster auf, das dem Zentralrat der Muslime und dem Islamrat den Status einer Religionsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes abgesprochen hatte. Wegen der fehlenden Anerkennung als Religionsgemeinschaft hatte das Land NRW den Antrag der islamischen Verbände auf Erteilung von Religionsunterricht abgelehnt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte nicht abschließend klären, ob die klagenden islamischen Verbände als Religionsgemeinschaft anzusehen sind und wies die Klärung an das OVG zurück.
Sollte ihnen diese Eigenschaft zuerkannt werden, müsse jedoch geprüft werden, ob die islamischen Organisationen als Partner der Landesbehörden bei einer Gestaltung des Religionsunterrichts ausschieden, weil an ihrer Verfassungstreue Bedenken bestünden. «Hauptproblem ist, dass eine klare Regelung der Mitgliedschaft in allen vier Verbänden nicht erfüllt wird. Wir brauchen aber Mitgliederlisten, schließlich soll der Unterricht verpflichtend sein», heißt es aus dem Schulministerium.
Das Land strebt pragmatische Lösung an
In Düsseldorf hofft man nun auf eine Übergangslösung, wie sie die von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ins Leben gerufene Islamkonferenz im Februar 2008 formulierte. Darin heißt es, der Staat könne, solange eine muslimische Organisation noch nicht die Voraussetzungen für eine Religionsgemeinschaft erfülle, mit ihr bereits kooperieren. Damit sei die Erwartung verbunden, dass sie innerhalb einer absehbaren Frist alle Merkmale einer Religionsgemeinschaft unzweifelhaft erfülle. Die islamischen Verbände zogen jedoch ihre Unterschrift unter das Dokument zurück.
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«Es wäre schon ein Fortschritt, wenn wir mit dieser Lösung anfangen könnten», heißt es aus dem Schulministerium. Zunächst werde eine Lehrplankommission gebildet mit Lehrern muslimischen Glaubens, die bereits an NRW-Schulen unterrichten. Grundlage des Lehrplans solle der bereits an etwa 128 Schulen existierende Islamkunde-Unterricht sein.
Auch im Landtag hofft man auf eine Einigung im Sinne der Übergangslösung. «Wir hatten dem Koordinierungsrat einen Brief geschrieben mit der Bitte, seine Vorstellungen zu äußern, wie es weitergehen könnte», sagt CDU-Landtagsabgeordneter Michael-Ezzo Solf, der der parlamentarischen Arbeitsgruppe Islam-Dialog vorsitzt. «Wir haben daraufhin eine sehr ausweichende, unbefriedigende Antwort bekommen.»
Verbände sind von außen gesteuert
Über die Gründe dieses Verhaltens will indes niemand öffentlich spekulieren. Eine Stellungnahme war auf mehrmalige ddp-Anfrage weder vom KRM noch von DITIB zu bekommen.
Nach Ansicht des Düsseldorfer Islamwissenschaftlers Michael Kiefer sind die Gespräche ins Stocken geraten, weil die islamischen Verbände auf ihrer Anerkennung als Religionsgemeinschaften beharren. Zudem gibt es auch eine gewisse Außensteuerung durch den türkischen Staat: Imame und Verbandsdelegierte würden etwa teilweise durch türkische Behörden geschickt.
«Alle wären gut beraten, nach zehn Jahren Anerkennungsproblematik an das Kindeswohl zu denken», appelliert Kiefer an beide Seiten. «Etwas mehr Pragmatismus von muslimischer Seite wäre hilfreich.» Doch sei auch Geduld gefragt. Noch vor 2004 sei die türkische Regierung nicht einverstanden gewesen, dass der Islam überhaupt in deutscher Sprache unterrichtet werde. (ddp)