Kairo. Der amerikanische Präsident Barack Obama umwirbt die arabische Welt, doch die brisanten Themen spart er in Kairo nicht aus.
An dieser Stelle sprang der Funken zum Publikum über. „We love you”, schallte es von der Empore, als der amerikanische Präsident sich an die arabischen Herrscher wandte und die legitimen Rechte ihrer Völker einforderte: „Ihr müsst eure Macht erhalten durch Konsens, nicht durch Gewalt. Ihr müsst die Rechte von Minderheiten respektieren. Ihr dürft nicht die Interessen eurer Parteien über die Interessen eurer Völker stellen.” Das Publikum dankte mit freundlichem Applaus wie auch bei vielen anderen Passagen der Grundsatzrede, die alle heißen Eisen zwischen der muslimischen Welt und den USA abhandelte: Irak, Afghanistan, Nahost, Iran, Demokratie, Frauenrechte und künftige Zusammenarbeit.
Barack Hussein Obama in Kairo. Vom Nil aus machte er seine lange angekündigte große Versöhnungsofferte an die muslimische Welt – ein Vorhaben, das Ägyptens Hauptstadt für acht Stunden in einen Ausnahmezustand versetzte.
3000 Personenschützer begleiteten Obama, 1000 CIA und FBI-Agenten waren Tage vorher ausgeschwärmt und hatten jeden Stein auf den Fahrtrouten Obamas umgedreht. Am Nil, in Metro-Stationen und an Ausfallstraßen, überall standen Soldaten auf Posten – diskret dirigiert von amerikanischen Sicherheitsleuten. Alle 30 000 ägyptischen Soldaten und Geheimdienstler im Einsatz hören nicht auf ägyptische Generäle, sondern waren amerikanischem Kommando unterstellt. So jedenfalls wollten es Zeitungen Kairos erfahren haben.
Auftritt durch den Seiteneingang
Und plötzlich steht der schlanke Gast auf der Bühne im Kuppelsaal der Kairoer Universität, der 3500 Zuhörern Platz bietet. Während das Publikum noch US-Außenministerin Hillary Clinton hofierte, war ihr Chef um 13 Uhr 10 durch die Seitenloge hereingeschlüpft. Kein Personenkult, kein bombastischer Auftritt: Ich komme als einfacher Mann, der der muslimischen Welt den Neuanfang anbietet – das sollte die Botschaft sein.
So sprach Obama zunächst von den vielen Wunden, Missverständnissen und Konflikten, „die uns zu diesem Punkt gebracht haben”. Diese Spirale von Misstrauen und Zwietracht müsse enden. Fehler der Vergangenheit ehrlich einzugestehen, sei Vorraussetzung für jeden Neuanfang. Und um mit gutem Beispiel voranzugehen, sparte er nicht mit Selbstkritik an der bisherigen amerikanischen Politik. Als erster US-Präsident räumte er ein, dass sein Land 1953 mit dem Putsch gegen Irans Ministerpräsident Mohammad Mossadegh eine demokratisch gewählte Regierung gestürzt habe. Im Kampf gegen den Terror versprach er einen Kurswechsel, der Folter verbietet und das Gefängnis in Guantanamo schließt. „Es ist einfacher, einen Krieg zu beginnen, als ihn zu beenden", sagte er im Blick auf Afghanistan und Irak. Und zum Nahostkonflikt erklärte er, es sei Zeit, dass Israels Siedlungsbauten gestoppt würden.
"In Frieden zusammenleben"
Das Publikum quittierte die Bekenntnisse und guten Vorsätze mit Genugtuung, auch wenn erstaunlich viele Sitzplätze leer geblieben waren. Denn selbst geladene Gäste hatten es offenbar vorgezogen, sich den Stress der Anreise zu ersparen. Noch bevor der US-Präsident aus Saudi-Arabien kommend in Kairo gelandet war, ging kaum noch etwas in der Megametropole.
Auch Gastgeber Hosni Mubarak war nicht in das Auditorium mitgekommen. Er schaute sich die wohl wichtigste Rede eines US-Präsidenten an die arabische Welt lieber im Fernsehen an, als vorne in einer Reihe zu sitzen mit zehn Regimekritikern, die von der US-Botschaft eingeladen worden waren. Einer ist Ayman Nour, der 2005 auf US-Druck als Gegenkandidat gegen den betagten Langzeit-Pharao antreten konnte. Wenige Monate später fand er sich im Gefängnis wieder und kam erst nach drei Jahren wieder frei. „Die Menschen auf Erden können in Frieden zusammen leben", beschwor Obama am Ende der Rede sein dankbares Publikum. Ein kurzes Winken und dann war er hinter dem Vorhang verschwunden auf dem Weg zur nächsten Etappe.