Berlin. Dass der Freiherr aus Bayern am Ende der nächtlichen Entscheidungsschlacht um Opel Finanzminister Peer Steinbrück an den Mikrofonen vor dem Kanzleramt den Vortritt ließ, es musste stutzig machen.

Berlin. Dass der Freiherr aus Bayern am Ende der nächtlichen Entscheidungsschlacht um Opel Finanzminister Peer Steinbrück an den Mikrofonen vor dem Kanzleramt den Vortritt ließ, es musste stutzig machen.

Schließlich war Karl-Theodor zu Guttenberg, der Senkrechtstarter im Politikbetrieb, in den Wochen davor doch das Gesicht der Wir-retten-Opel-oder-auch-nicht-Geschichte. Formvollendet im Ton sprach der Adlige aus dem Wirtschaftsministerium bis zuletzt immer wieder davon, dass er eine Insolvenz bevorzuge und ansonsten die Entscheidung über eine Staatsintervention bei Opel bitteschön solange offen zu halten sei, bis die Risiken für den deutschen Steuerzahler realistisch eingeschätzt werden können.

Die Öffentlichkeit steht hinter ihm

Eine Haltung, die der SPD die Zornesröte auf die Stirn trieb, den 37-Jährigen in Meinungsumfragen jedoch in unerwartete Höhen der Beliebtheit katapultierte: Platz zwei hinter der Kanzlerin. Womöglich liegt hier begründet, warum der Novize im Kabinett Merkel trotz seiner krachenden Niederlage im Fall Opel nicht locker lässt. Er weiß einen nicht unbeträchtlichen Teil der öffentlichen Meinung hinter sich. Die Skepsis darüber, ob der jetzt eingeschlagene Weg bei Opel ein gutes Ende nehmen oder nur sündhaft teuer wird, ist kein Minderheitenthema. Darum sah sich auch getäuscht, wer angenommen hatte, der CSU-Politiker würde seine ablehnende Haltung zur staatlich unterfütterten Opel-Gesundung nur einmal staatsmännisch zu Protokoll geben und dann zur Tagesordnung übergehen.

Mit einer Interview-Offensive lässt zu Guttenberg seit Samstag keinen Zweifel daran, dass er seine Einzelmeinung in der Regierung im Fall Opel intensiv für politische Zwecke auszuschlachten gedenkt. Nur für welche?

Indem zu Guttenberg nicht müde wird zu betonen, dass er den angeschlagenen Autobauer lieber in die Insolvenz geschickt hätte (ohne seine eigene „Risikoabwägung” bis heute im Detail nachvollziehbar zu erläutern) und schon mal präventiv lautstark davor warnt, bei Arcandor demnächst mit ebenso gewaltigen Staatshilfen zu winken, profiliert sich der Christsoziale gewiss in wirtschaftsnahen Kreisen von Union und FDP sowie bei Lehrbuch-Ökonomen. Für Kanzlerin Merkel, die an der politischen Notwendigkeit einer Überlebenshilfe für Opel nie einen Zweifel ließ, könnte der Minister dadurch jedoch zum Problem werden. Mag sie den Medien-Darling, wie gestern in Bayern, auch noch so demonstrativ loben: „Ich bin unserem Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ausdrücklich dankbar, dass er immer wieder den Finger in die Wunde gelegt hat.”

Stimme der ordnungspolitischen Vernunft

Denn der gelernte Außenpolitiker zu Guttenberg sieht sich, selbstbewusst und smart, wie es ihm zu eigen ist, inzwischen als die „Stimme der ordnungspolitischen Vernunft in der Bundesregierung”. Im Umkehrschluss sind alle anderen folglich überaus unvernünftig, die bis zum Wahltag Ende September oft noch in den Zwang geraten werden, in Not geratene Konzerne über Wasser zu halten.

Angela Merkel kann das nicht gefallen. Sie schätzt Verstand in ihrer Umgebung. Solange der kein allzu pointiertes Eigenleben führt. Karl-Theodor zu Guttenberg könnte darum eine Erfahrung machen, die ihm neu sein wird: Einerseits wächst bei vielen sein Ansehen als einsamer Mahner gegen eilfertige Staatsverschuldung. Andererseits könnte sein Widerstandsgeist zur Karrierebremse werden. Friedrich Merz, ein anderer Ordnungspolitiker der Union, kann ein Lied davon singen.