London. Vor 200 Jahren wurde Charles Darwin geboren. Der Begründer der Evolutionstheorie zögerte lange, ehe er mit seinen Erkenntnissen an die Öffentlichkeit ging.

Vielleicht hätte man schon am 12. Februar vor 200 Jahren ahnen können, dass der kleine Charles Darwin, der da im verträumten Shrewsbury auf die Welt kam, eben diese bis an ihre Ursprünge ergründen wollte. Als Kind liebt er nichts mehr, als durch Wiesen zu streunen, Käfer, Würmer und Schmetterlinge zu fangen. Seine Sammelwut lässt sich auch später kaum bremsen.

Kein Dorfpfarrer, sondern naturwissenschaftlicher Assistent

Ein Mal hält er ein seltenes Exemplar in der Hand. Er steckt das Krabbeltier in den Mund, will beide Hände zum Fang eines zweiten frei haben – und kassiert eine verätzte Zunge. Die Käfer hopsen davon und Darwin schwankt den Rest des Tages zwischen Glück und Unglück. An die Uni denkt er kaum.

Umso erstaunlicher, dass er schließlich nach Cambridge zieht, Theologie studiert. Aus der Karriere des Dorfpfarrers wird allerdings nichts. Er meldet sich als naturwissenschaftlicher Assistent für eine Reise auf dem Vermessungsschiff „HMS Beagle” nach Südamerika. Hier wird der Theologe die ersten Impulse für seine Theorie sammeln, dass womöglich nicht Gott, sondern die Evolution jedes Lebewesen auf der Erde formt.

Fünf Jahre ist Darwin unterwegs, fünf Wochen verbringt er auf den Galápagos-Inseln, wo er die berühmten Finken sieht, deren Schnabelform je nach Insel und Futterangebot variiert. Der Sammelwütige begegnet Vögeln mit blauen Füßen, Haifischen mit T-förmigen Köpfen und Echsen, deren Haut so schwarz ist wie die Lavalandschaft. Ein Verdacht nagt an ihm: Arten passen sich der Umwelt an, verändern sich, geben neue Eigenschaften durch natürliche Auslese weiter. Darwin kritzelt nach der Rückkehr in seinen Block: „Ich denke”, und skizziert einen verästelten Baum, dessen Zweige von einem gemeinsamen Stamm abgehen. Mit dieser radikalen Idee zur Entwicklung der Arten macht er: nichts. Er ist sich sicher, doch er schweigt. Auf seinem Landsitz arbeitet er zwar weiter wie ein Besessener, untersucht Tausende von Sammelstücken. Er züchtet Tauben, verändert ihre Merkmale und ahnt die Dimension seines Fundes: Wenn er Arten durch künstliche Selektion steuern kann, so kann dies auch die Natur durch Ausleseprozesse.

"Als würde man einen Mord gestehen"

Der Theologe spürt, was er mit seinen Ergebnissen zerstört. Gott war gar nicht nötig, um die Vielfalt der Arten zu erklären. Mehr: Der Mensch war nur eine Art unter vielen und durch seine mit dem Affen gemeinsamen Vorfahren nicht mehr als ein rasierter Primat. Kurzum: Darwin hatte keine Eile, seine unbequemen Wahrheiten zu publizieren.

Erst 1858, gut zwanzig Jahre später, als der Nachwuchswissenschaftler Alfred Russel Wallace den etablierten Biologen mit fast identischen Ergebnissen kontaktiert, wird der Seniorforscher nervös. Er ringt sich durch, seine Theorie nun doch zu veröffentlichen. Die Bauchschmerzen jedoch bleiben: Es ist, als würde man „einen Mord gestehen”.

Am Ende eher mit ungefährlichen Themen befasst

Die Reaktionen sind entsprechend: Das Weltbild des viktorianischen Englands liegt in Trümmern, die Anglikanische Kirche sieht Darwin auf ketzerischem Kollisionskurs. Weggefährten, Vorbilder, Mentoren – viele wenden sich ab von Darwin.

Der Forscher stirbt 1882, tief enttäuscht über die Kritik vieler Wissenschaftskollegen, aber in den Augen der Welt längst als revolutionäres Genie anerkannt. Zum Ende seines Lebens hatte er sich mit ungefährlichen Themen wie Botanik und Bodenbiologie befasst und sich als Agnostiker betrachtet: Die Existenz Gottes war für ihn weder beweis- noch widerlegbar.

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