Bochum. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers verteilt Lob und Hoffnung bei Opel in Bochum und Hiebe gegen die Konzernspitze.
Man sagt, ihnen und der ganzen Welt, sie seien gerettet. Aber da sind Opelaner, die wollen keinen Retter sehen. „Das ist doch nur Wahlkampf”, sagt Jörg Schindel, und zwei Gewerkschafter sprechen in ihr Mikrofon, man habe „den Typen” jetzt lange genug zugehört. Die redeten doch dauernd über „die so genannte Rettung”.
Aber dann ist Jürgen Rüttgers gar „nicht als Retter von Opel gekommen”. Jedenfalls sagt er das am Mittwoch, in der zugigen Halle zwischen Presswerk und Lackiererei, zwischen Morgen- und Mittagsschicht: „Wenn es einen Retter von Opel gibt, dann sind Sie das.” Natürlich ist das Politik und also sein Job, dass er der Belegschaft dankt und nicht sich selbst, dass er betont bescheiden tut: „Die Landesregierung hat sich beteiligt, und das ist gut so.” Natürlich redet er später noch über die „verdammt harten Wochen” und die „nächtelangen” Verhandlungen. Aber natürlich hat er die Wut zunächst abgewürgt wie ein Auto an der Ampel.
Dort erwarteten die IG Metaller den Besuch: an der Kreuzung vor Tor 4, wo Opel einen „Sammelplatz” hat für Notfälle. Tausende „Arbeitsplätze sollen weggerettet werden”, sagen sie und rufen die Kollegen zur „Informations-Veranstaltung” der Werksleitung in die Halle. Doch viele gehen lieber heim, und wer bleibt, applaudiert dem Ministerpräsidenten. Die Demonstranten sind vielleicht zu zehnt, bei ihnen noch zwei Erzieherinnen, die an diesem Tag auch protestieren, was sich gut trifft: Man möchte dem neuen Investor gern was beibringen. „Nur reingehen, malochen und die Schnauze halten: So sind wir nicht, so geht's nicht.” Jörg Schindel hat das Gefühl, man darf jetzt nichts mehr sagen als Opelaner: „Ist ja nett, dass die einsteigen wollen. Aber mundtot machen ist wie Körperverletzung.” Entdecke Opel.
„Die Probleme liegen beim Management”
Aber es war wohl auch dieser Kampfgeist, der den Durchbruch brachte. Jedenfalls lobt der Chef seine „leistungsfähige” Belegschaft, der Betriebsrat ihr „Selbstbewusstsein”, und auch der Ministerpräsident hat sich ja vor den Mitarbeitern verneigt. Und die Konzernspitze kritisiert: „Die Zahlen müssen sie beim Management schon beherrschen”, sagt er und meint die finanziellen Forderungen, die die Verhandlungen immer wieder ins Stocken gebracht hatten. „Die Probleme lagen und liegen beim unfähigen Management in Detroit.”
Das bringt ihm den größten Beifall – und dieses Versprechen: „Das Auto bauen Sie!” Das wollen sie hier hören, obwohl sie nicht wissen: Wer ist demnächst noch „Sie”? Es wird ja trotz allem eine „harte Sanierung” geben, hat Werksdirektor Uwe Fechtner gesagt, auch wenn der Stellenabbau, wie Betriebsratschef Rainer Einenkel verspricht, „deutlich geringer ausfallen wird als angekündigt”. Ohnehin sind „ja nicht mehr so viele da”, sagt traurig einer aus der Logistik.
Offenes Rennen
Auch nach der gefeierten Rettung von Opel ist das Rennen noch offen für andere Bieter. Das erklärte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Mittwoch in Berlin.
Die Verhandlungen mit Magna befänden sich „derzeit nur im Stadium eines Vorvertrages”. Wie es heißt, sind weder der chinesische Autobauer BAIC noch der italienische Fiat-Konzern bereits endgültig aus dem Bieterwettstreit ausgestiegen.
Ein Fiat-Sprecher wollte dies indes nicht näher kommentieren. Priorität für den Konzern habe die Allianz mit Chrysler.
Aber wo sie hier stehen, ist auch die Verladestation, und Jürgen Rütters weiß, dass die Opelaner schon manches Mal verladen wurden: „Es sind nicht immer alle Zusagen eingehalten worden.” Seine aber sollen nun gelten: „Keine betriebsbedingten Kündigungen. Kein Steuergeld verschwindet in den USA.” Und: „Es wird investiert.” Es sei an der Zeit, dass der Laden „so schnell wie möglich wieder ans Laufen” kommt. „Den Kahn machen wir schon wieder flott”, hat eben ein Autobauer gesagt.
Möglich, dass mancher erst jetzt wirklich erfasst, wie knapp die Sache war: „Montag drohte die Pleite”, sagt Betriebsratschef Einenkel, „kein Geld mehr für euch.” Die Aussichten seien konkret gewesen: „Rüsselsheim sollte leben, Bochum sterben, die Pläne liegen mir vor.” Es habe Leute gegeben, sagt Rüttgers, „Miesmacher” nennt er sie jetzt, „die nichts Besseres zu tun hatten als von morgens bis abends zu erklären, Opel hätte keine Zukunft”. Und dann schlägt er einen deutlichen Seitenhieb gegen Wirtschaftsminister zu Guttenberg, dem eine Insolvenz lieber war: „Partei hin oder her, das wäre genau so teuer geworden.”
Doch für „Jubelgesang”, so Werksleiter Fechtner, gebe es „noch immer keinen Grund”. Die Insolvenz sei vom Tisch, sagt er, versteckt in dem Satz aber ein „zunächst”. Auch Jürgen Rütters weiß, „dass wir weiter kämpfen müssen”. Zwar dankt ihm Betriebsrat Einenkel („Ich hätte nie gedacht, dass ich Sie mal so loben muss”) und „ausnahmsweise auch der FDP”: Man hat jetzt einen Rahmenvertrag, „mehr aber auch nicht”. Die erste Rettungs-Rate ist Dienstag geflossen, 300 Millionen überwies der Staat. Gerettet ist Opel damit noch nicht.