Energieversorger geben fallende Weltmarktpreise nicht voll an die Kunden weiter, sagen Wissenschaftler. Firmen weisen die Vorwürfe zurück.
Zahlreiche Gasversorger wehren sich gegen Vorwürfe, sie würden Privathaushalten ungerechtfertigt Geld aus den Taschen ziehen. „Unsere Preise liegen nicht zu hoch”, sagte etwa Mareike Lehnhardt vom Lieferanten Erdgas Südbayern gegenüber der WAZ. Das Unternehmen habe die fallenden Gaskosten auf dem Weltmarkt durchaus an die Kunden weitergegeben, so Lehnhardt.
Erdgas Südbayern und andere Firmen reagierten damit auf die Veröffentlichung eines Gutachtens der Grünen im Bundestag. Darin heißt es, die deutschen Gasversorger würden die sinkenden Einkaufspreise nicht in vollem Umfang an ihre Endkunden weitergeben. Würde diese Praxis wie bisher fortgesetzt, entstünde den Verbrauchern ein Schaden von „1,6 Milliarden Euro im Jahr 2009”.
Das ist eine hohe Zahl. Sie veranlasste den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), sich vor seine Mitglieder zu stellen. „Zahlreiche Unternehmen haben ihre Preise mitten in der Heizperiode gesenkt, zum Teil sogar mehrfach”, sagte BDEW-Geschäftsführerin Hildegard Müller.
Das bestreiten die von den Grünen beauftragten Gutachter nicht. Der Kölner Energieberater Gunnar Harms und Uwe Leprich, Professor an der Hochschule des Saarlandes, argumentieren jedoch, dass die Preise für die Endkunden bei weitem nicht so stark gefallen seien, wie die Einkaufspreise der Unternehmen. Dadurch entstehe ein positiver Effekt für die Gasversorger – und ein Nachteil für die Verbraucher. Für einen Kunden, der 20 000 Kilowattstunden pro Jahr verbrauche, schlügen die überhöhten Preise mit einem Verlust von 150 Euro pro Jahr zu Buche.
Am Beispiel einzelner Unternehmen haben die Gutachter die Preisbildung analysiert. Erdgas Südbayern etwa verlange 5,4 Cent pro Kilowattstunde Gas. Gemessen am Einkaufspreis halten Harms und Leprich 5,25 Cent für gerechtfertigt. Um diese Argumente zu entkräften, erklärt Erdgas Südbayern, die Berechnungen der Einkaufs- und Durchschnittspreise durch die Gutachter seien fehlerhaft.
Nicht nur in Bezug auf einzelne Firmen, sondern auch im Durchschnitt haben die Gutachter Differenzen festgestellt. „Spätestens zu Beginn des dritten Quartals 2009 sollten die Gaspreise für die Endverbraucher wieder das Niveau von rund vier Cent erreichen. Momentan liegen sie bei 6,5 Cent pro Kilowattstunde.”
Harms und Leprich legen Wert auf die Feststellung, dass dieses Missverhältnis für die gesamte deutsche Gaswirtschaft gelte. Nicht nur die 40 großen Regionalversorger, sondern auch die rund 700 Stadtwerke würden oft überhöhte Preise in Rechnung stellen, sagt Leprich.
Die Untersuchung befeuerte gestern die Debatte über politische Gegenmaßnahmen. Die grüne Fraktionsvize Bärbel Höhn forderte den Bund auf, den Wettbewerb in der Gaswirtschaft zu verbessern. Ein Punkt betrifft die Zusammenlegung der zehn Versorgungsgebiete unterschiedlicher Anbieter, in die Deutschland aufgeteilt ist. Will ein neuer Anbieter wie Lichtblick aus Hamburg eine Familie in Stuttgart mit Gas versorgen, muss er mit mehreren Regionalversorgern über die Nutzung der Gasleitungen und die anfallenden Kosten verhandeln. So kann der Endkundenpreis empfindlich steigen. Die Grünen plädierten dafür, die abgegrenzten Gasgebiete abzuschaffen.