Bochum. Jeder dritte Berufstätige fühlt sich gestresst, so die Techniker Krankenkasse. Über die Ursachen für Stress im Job und zuhause sprach Petra Koruhn mit Prof. Georg Juckel vom Westfälischen Zentrum für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Bochum.

Warum halten wir den Stress nicht mehr aus?

Juckel: Weil die entfesselte Leistungsgesellschaft selbst eine höchst anpassungsfähige Seele überfordert. Alles muss schnell gehen. Stets versucht man, den Wünschen des Chefs zu entsprechen. Wohl wissend, dass der Arbeitsplatz oft nicht mehr sicher ist. Vor allem Arbeitnehmerinnen sind extrem gefährdet. Weil sie durch die Rollenverteilung immer noch die Doppel- und Dreifachbelastung schultern.

Besonders betroffen sind auch die Hausfrauen.

Weil ihnen ganz besonders oft die Wertschätzung fehlt. Sätze wie „Du hast es gut, Du bist den ganzen Tag zuhause” sind massive Angriffe auf das Selbstbewusstsein. Ehemänner sollten die Arbeit der Hausfrau respektieren. Hausfrauen arbeiten oft ohne Pausen. Wir haben viele Mütter in der Therapie. Denen sagen wir: Nehmen Sie sich Zeit für sich! Einen halben Tag mindestens wöchentlich nur für das, was Sie schön finden. Außerdem sollte ein Abend für den Partner reserviert werden.

Manche Menschen können nicht ohne Stress.

Es gibt natürlich den positiven Stress. Der ist phasenweise auch sehr nützlich, um kreativ zu sein. Die Ausschüttung der Hormone Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin führen zu Leistungsstärke. Aber auf die Dauer schlägt der positive Stress um. Dann gefährden wir unser seelisches Gleichgewicht extrem. Die Folgen sind Depressionen, im schlimmsten Fall der Suizid.

Gib es ein Entkommen?

Arbeit abgeben und nicht alles gleichzeitig machen. Zudem braucht die Seele Streicheleinheiten: Wertschätzung von Kollegen und vom Chef.

Was hilft gegen Stress?

Es sind die einfachen Mittel – wie Entspannungsübungen. Autogenes Training kann man in jeder Volkshochschule lernen. Wichtig ist, dass man Ruhe findet. Wenn es stressig ist im Büro, wenn man ständig mit Gedankenarbeit befasst ist, sollte man eine Fünf-Minuten-Denkpause einlegen. Und mal was anderes machen.