Essen. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hat die Hinweise des Robert-Koch-Instituts zur Eindämmung der Schweinegrippe scharf kritisiert. „Wenn wir sie einhalten, müssen wir Impf- und Vorsorgetermine absagen”, sagte der Sprecher des Verbandes, Wolfram Hartmann, der WAZ.

Wenn die Sommerferien vorbei sind, wenn viele Kinder im Kindergarten und in der Schule zusammenkommen, dann dauert es nicht lang, bis wieder Nasen laufen, bis Hustenattacken die Nächte unterbrechen, bis bei vielen Kindern das Fieberthermometer anschlägt. Folgen die Kinderärzte den Hinweisen des Robert-Koch-Instituts zur Eindämmung der Schweinegrippe, werden sie in den kommenden Wochen viel zu tun haben. Fiebernde Kinder mit Husten nämlich sollen dann behandelt werden wie ein H1N1-Verdachtsfall.

Das bedeutet: Das Kind wird in der Praxis isoliert. Vor der Untersuchung muss der Arzt Schutzkleidung anziehen. Obendrein sollte er eine Verdachtsmeldung an das Gesundheitsamt schicken.

"Das ist wirklichkeitsfern"

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hält die Hinweise für „wirklichkeitsfern”. Verbandspräsident und Kinderarzt Wolfram Hartmann sagte der WAZ, diese Anweisung schüre „Hysterie bei den Eltern”. Praxen könnten nahezu lahmgelegt werden, wenn jedes erkältete Kind zum Verdachtsfall werde. „Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen müssten abgesagt werden”, sagte Hartmann. Er selbst und viele seiner Kollegen würden sich jedenfalls „stillschweigend über die Hinweise hinwegsetzen”.

Die Kinder- und Jugendärzte haben sich inzwischen beim Robert-Koch-Institut (RKI) beschwert, weil die Empfehlung nicht zwischen Kindern und Erwachsenen unterscheide. „Das Institut hat die Kinder vergessen”, sagte Hartmann. Beim RKI versteht man diese Kritik nicht recht. „Die Symptomatik ist doch bei Kindern und Erwachsenen gleich”, sagte ein Sprecher. Kinderarzt Hartmann lässt das Argument nicht gelten. Ohnehin hält er die Hinweise für Erwachsene gleichermaßen überzogen.

Chaos vermeiden

Auch die Unsicherheit unter den Allgemeinmedizinern und den Patienten ist groß. Gerade wegen dieser Unsicherheit hält der Essener Arzt Dirk Weber die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für durchaus sinnvoll. „Man muss versuchen, einen praktikablen Weg zu gehen”, sagte der Allgemeinmediziner. Die Regeln müssten einfach sein und transparent. An den zwei Symptomen Husten und Fieber könnten sich die Menschen orientieren. Weber: „Bei mehr als drei Symptomen würde das Chaos ausbrechen”.