Berlin. Man ahnte die Zahlen schon, doch trotzdem wirken sie gewaltig. Steuerausfälle von 45 Milliarden Euro für 2009 und insgesamt knapp 316 Milliarden bis 2012 prognostizierten am Donnerstag die Steuerschätzer, die drei Tage lang im rheinland-pfälzischen Bad Kreuznach getagt hatten.

Obwohl die Öffentlichkeit eigentlich schon im Bilde war, debattierten die Experten wie immer unter strengster Abgeschiedenheit. Dieses Ritual, das an das römische Konklave zur Papstwahl erinnert, ereignet sich jedes Jahr zwei Mal. Dann dürfen die Fachleute aus dem Bundesfinanzministerium, den Landesfinanzministerien, der Bundesbank, den großen Wirtschaftforschungsinstituten und einigen Spitzenverbänden schon Wochen vorher nichts mehr öffentlich sagen. Bei der dreitägigen Tagung selbst gilt der Zwang zum Konsens – nur eine gemeinsame Schätzung wird veröffentlicht, Abweichungen existieren per definitionem nicht. Das Bundesfinanzfinanzministerium will mit dieser Konstruktion seine politische Hoheit über die Prognose bewahren.

Die Steuerausfälle, die die Finanz- und Wirtschaftskrise verursacht, sollen sich dieses Jahr so aufteilen: 21,5 Milliarden Euro muss der Bund verkraften, 16,5 Milliarden die Bundesländer und 7,6 Milliarden die Städte. Obwohl sich die Finanzlage der Kommunen in den vergangenen Jahren durchschnittlich verbessert hat, sind die Aussichten für die meisten Städte dennoch dramatisch. 70 Prozent aller deutschen Kommunen können über ihre Finanzen heute schon nicht mehr selbst bestimmen, wie Petra Roth, die Präsidentin des Deutschen Städtetages sagt. Diese Städte sind oft überschuldet.

In den Kommunen droht Investitionsstau

Wenn nun, wie prognostiziert, die Einnahmen aus der kommunalen Gewerbesteuer in diesem Jahr um 6,1 Milliarden Euro zurückgehen, können die kommunalen Kämmerer angesichts leerer Kassen kaum gegensteuern. Es besteht die Gefahr, dass die Städte ihre Investitionen kürzen. Schwimmbäder würden dann nicht gebaut, Straßen nicht repariert und die Dächer von Schulen nicht erneuert. Positiv wirkt sich hier allerdings aus, dass auch finanzschwache Kommunen Mittel aus dem bereits beschlossenen Konjunkturprogramm erhalten.

Eine weitere Variante, Kosten zu senken, ist die Personalpolitik. Wenn eine Gemeinde frei werdende Stellen in Kindertagesstätten nicht mehr oder erst später besetzt, verringert das die Ausgaben, verschlechtert aber die kommunalen Leistungen zuungunsten der Bevölkerung.

Frankfurt, München in komfortabler Situation

Freilich gibt es auch Gegenbeispiele. Aus ihrer Stadt Frankfurt am Main berichtet Oberbürgermeisterin Roth, dass man das erwartete Minus der Gewerbesteuer von rund 150 Millionen Euro aus den Rücklagen der vergangenen guten Jahre finanzieren könne. In dieser komfortablen Situation sind allerdings nur wenige deutsche Städte, darunter nach Roths Information auch München.

Kürzungen von Ausgaben stehen auch den Bundesländern grundsätzlich zu Gebote. Hier würde der Blick der Landesfinanzminister zuerst auf die Investitionen in Bildung und Kultur fallen. Der Ausbau von Hochschulen kostet Hunderte Millionen und könnte verschoben werden. Die Möglichkeiten der Länder, sich durch Steuererhöhungen selbst aus der Finanzklemme zu befreien, sind dagegen sehr begrenzt. Eine Option wäre die Erhöhung der Erbschaftssteuer, die den Ländern zusteht. Doch haben sich gerade die unionsregierten Länder festgelegt, dass die Einnahmen nicht erhöht werden sollen.

Der Bund könnte Steuern erhöhen

Die Möglichkeiten des Bundes, Haushaltslücken mit höheren Steuern zu schließen, sind dagegen größer. So hat die Anhebung der Mehrwertsteuer auf jetzt 19 Prozent dem Staat auf einen Schlag rund 24 Milliarden Euro pro Jahr gebracht. Die sinkenden Defizite der vergangenen Jahre wären ohne diese Einnahmeerhöhung nicht zu erreichen gewesen. Und eine umstrittene Maßnahme steht nach der Bundestagswahl ganz oben auf der Tagesordnung: höhere Einkommenssteuern für gut betuchte Bundesbürger. Sitzt die SPD ab Herbst auch in der neuen Regierung, wird daran wohl kein Weg vorbeiführen.