Hannover/Passau/Bad Kreuznach. Am heutigen Donnerstag legt der Arbeitskreis Steuerschätzung seine Frühjahrsprognose vor. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) rechnet mit Steuerausfällen von bis zu 350 Milliarden Euro und einer Neuverschuldung des Bundes in Höhe von 80 Milliarden Euro.

«Meine Annahme ist bekannt: Ich rechne mit 300 bis 350 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen für Bund, Länder und Gemeinden bis 2013 gegenüber der Schätzung von vor einem Jahr», sagte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) der in Hannover erscheinenden «Neuen Presse». «Die öffentlichen Haushalte werden gegenüber unseren bisherigen Planungen durch die Wirtschaftskrise massiv belastet. Es hat einen solchen Einbruch in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nicht gegeben», sagte der Minister. Der bisher größte Wirtschaftseinbruch sei 1975 mit 0,9 Prozent minus erfolgt.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) rechnet mit Steuerausfällen von bis zu 350 Milliarden Euro und einer Neuverschuldung des Bundes in Höhe von 80 Milliarden Euro. (Foto: afp)
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) rechnet mit Steuerausfällen von bis zu 350 Milliarden Euro und einer Neuverschuldung des Bundes in Höhe von 80 Milliarden Euro. (Foto: afp) © AFP

Wäre die Krise nicht dazwischen gekommen, hätte Deutschland 2011 erstmals seit 1969 einen Bundeshaushalt ohne Neuverschuldung gehabt. «Jetzt muss ich Ende Mai einen Nachtragshaushalt vorlegen. Wir werden in diesem Jahr die Gesamtverschuldung in einer Größenordnung von 80 Milliarden Euro erhöhen. Dies wird sich ähnlich auch im Jahr 2010 fortsetzen», sagte der SPD-Politiker. Vor diesem Hintergrund kündigte Steinbrück an, er werde «im Kabinett eisern durchsetzen, dass nur die Ansätze aus dem bestehenden Finanzplan für den Entwurf des Bundeshaushalts 2010 umgesetzt werden. Zusätzliche Wünsche sind nicht realisierbar».

Auch Westerwelle fordert Steuersenkungen

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle nahm die Steuerschätzung zum Anlass, Steuersenkungen zu fordern. «Die Steuerschätzung ist der Beweis dafür, wie dringend notwendig eine Steuerreform ist», sagte Westerwelle dem «Hamburger Abendblatt». «Wir brauchen in Deutschland ein faires Steuersystem mit niedrigeren Sätzen.» Ein faires Steuersystem sei die Voraussetzung für die Gesundung der Staatsfinanzen. Er verwies darauf, dass dem Staat jährlich rund 350 Milliarden Euro durch Schwarzarbeit verloren gingen. «Wenn es uns durch ein faires Steuersystem gelingt, einen Teil davon in die reguläre Volkswirtschaft zurückzuführen, sind die Staatsfinanzen konsolidiert.»

Westerwelle griff Bundesfinanzminister Steinbrück scharf an und legte ihm den Rückritt nahe. «Finanzminister Steinbrück hat so viel Geld verbrannt - er ist der Letzte, der uns Ratschläge geben könnte», sagte der FDP-Chef.

Steinbrück nennt Steuersenkungsversprechen Täuschung der Wähler

Steinbrück hingegen hält alle Steuersenkungspläne innerhalb der nächsten Legislaturperiode für «absurd». Gegenüber der «Passauer Neuen Presse» sagte er: «Die Neuverschuldung von 80 Milliarden Euro wird bis 2013 nicht auf ein erträgliches Maß zurückgehen. Der Abbau der Neuverschuldung ist die zentrale Aufgabe für 2010 bis 2013. In dieser Situation Steuersenkung zu versprechen, wie dies CDU/CSU und FDP tun, entbehrt jeder ökonomischen Vernunft und jeder finanziellen Möglichkeit.»

An die Adresse der Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzenden Angela Merkel gerichtet, sagte der Finanzminister: «Steuersenkungsversprechen sind schlicht und einfach eine Täuschung der Wählerschaft.» Bei der Union passe nichts zusammen: «Für die auf dem Bildungsgipfel versprochenen Bildungsinvestitionen fehlt der CDU/CSU das Geld, und nun will sie auf den Marktplätzen noch mehr Steuererleichterungen versprechen. Und beim Wirtschaftsrat der CDU wird es kabarettreif: Er verspricht die Abschaffung der Erbschaftsteuer, die Korrektur der Unternehmensteuerreform, die Beseitigung des Mittelstandsbauchs und die Abschaffung der Gewerbesteuer - total verrückt.»

Arbeitskreis Steuerschätzung legt Pronose über Einnahmeausfälle vor

Am heutigen Donnerstag legt der Arbeitskreis Steuerschätzung seine Frühjahrsprognose vor. In Bad Kreuznach erarbeiten die Experten aus Bund, Ländern, Kommunen und Wissenschaft seit Dienstag die Vorhersage über die Steuereinnahmen für das laufende Jahr und für die vier Folgejahre bis 2013. Die Steuerschätzung ist Grundlage für die Haushalts- und Finanzplanung des Bundes und der Länder. Die Ergebnisse werden traditionell vom Finanzministerium in Berlin veröffentlicht.

Das Expertengremium war bereits am Dienstag im rheinland-pfälzischen Bad Kreuznach zusammengetreten. Der Arbeitskreis setzt sich zusammen aus Experten des Finanz- und des Wirtschaftsministeriums, der Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände, des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der fünf großen Wirtschaftsforschungsinstitute sowie von Bundesbank und Statistischem Bundesamt. (ddp/ap)

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