Essen. Die Entrüstung über General Motors (GM) und den abgesagten Verkauf von Opel und Magna weicht Kritik an handwerklichen Fehlern der Bundesregierung. Neuer Aufsichtsratvorsitzender für Carl-Peter Forster soll vorübergehend GM-Urgestein Bob Lutz (Bild) werden.
Laut dem „Spiegel” hat ein unvorsichtiger Brief des damaligen Bundeswirtschaftsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in der Endphase der Verhandlungen den Ausschlag für die Kehrtwende von GM gegeben.
Entgegen dem Anraten des deutschen EU-Industriekommissars Günter Verheugen (SPD) antwortete Guttenberg schriftlich auf die Forderungen der Europäische Union. Die Brüsseler Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hatte Ende Oktober eine Erklärung gefordert, dass deutsches Staatsgeld ohne Rücksicht auf eventuelle Werksschließungen hierzulande fließen würden. Guttenberg schrieb postwendend an GM und forderte die Opel-Muttergesellschaft auf, die verlangte Erklärung gegenüber der EU abzugeben. „Unabhängig von der Identität des Investors” sei die Bundesrepublik zur Unterstützung bereit, heißt es in dem Brief an GM-Boss Fritz Henderson. In Detroit soll der Satz so angekommen sein: Dann steht auch GM selbst das Rettungsgeld zu. Wohl nicht ohne Grund bezifferte Henderson die Opel-Sanierungskosten auf drei Milliarden Euro – genau die Summe, die Magna zusätzlich zum Überbrückungskredit zugesagt worden war.
Neelie Kroes hält an ihren Forderung fest. Auch jetzt dürften Zuschüsse nicht an Forderungen nach Standort- und Arbeitsplatzgarantien verbunden sein. Diese werden immer von den Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Opel-Werken wiederholt.
Der designierte SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel schimpfte nach einer Sitzung des NRW-Parteirates in Bochum auf die EU. Wenn die EU-Kommission die Verknüpfung mit Standortgarantien nicht akzeptiere, „dann muss man die EU eben ändern.”
Inzwischen formierte sich Widerstand gegen Subventionen für Opel. Arbeitgeberpräsident Hundt lehnt weitere Sonderhilfen ab, ebenso der Generalsekretär des Zentralverbandes des Handwerks, Schleyer. Auch VW-Chef Winterkorn lehnt Staatshilfen für GM ab. Ohne Opel könnte Volkswagen jährlich 300 000 oder die Kapazität eines Werkes mehr absetzen. Der BMW-Vorstandsvorsitzende Reithofer äußerte sich sinngemäß genauso. Nach einer Emnid-Umfrage lehnen zwei Drittel der Deutschen Subventionen für Opel ab.
Am Wochenende berichtete das „Wall Street Journal”, GM sei auf der Suche nach einem Deutschen als neuem Opel-Chef. Den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden soll vorübergehend das GM-Urgestein Lutz für den ausscheidenden Forster übernehmen.
Noch unklar ist, ob die von Magna mit den Gewerkschaften vereinbarte Arbeitnehmerbeteiligung Bestand haben kann. Sie sollte sich auf 265 Millionen Euro im Jahr belaufen und den Arbeitern für einen Lohnverzicht von insgesamt 1,3 Milliarden Euro eine Beteiligung an New Opel von zehn Prozent einbringen. Der „Spiegel” zitierte einen ehemaligen Opel-Betriebsrat: „Verdient es ein Unternehmen zu überleben, wenn es seine Existenz von ein paar Milliönchen Mitarbeitergeldern abhängig macht?”