Bochum. Die Stimmung ist sowieso schlecht, sagen die Opelaner. Aber bei einigen ist nun auch das letzte Fünkchen Hoffnung weg. Denn das Bochumer Werk war immer ein Schließungskandidat - und ist es seit dem geplatzten Magna-Deal umso mehr. 10 000 Stellen sollen laut General Motors gestrichen werden.
Ist wieder Opelwetter. Grau, nass, kalt, und um das Werk pfeift ein eisiger Wind. So war es an allen Tagen in diesem Jahr, wenn es Neues gab beim Autobauer – und es waren viele: im Februar bei der Großdemo in Rüsselsheim, im Mai, als man um einen Käufer rang, selbst im August noch, als GM plötzlich doch nicht verkaufen wollte (und dann doch und nun doch wieder nicht. . .) Und jetzt zittern sie schon wieder.
Ein guter Vorwand für die Opelaner, den Mantelkragen hochzuschlagen, den Schirm auf den Scheitel zu drücken und vorbeizueilen an der Öffentlichkeit, die nun schon wieder wartet und wissen will: Wie geht es euch jetzt? „Schlecht”, sagen sie, wenn sie etwas sagen. Auch nicht anders als an all den anderen Tagen, als dieser kalte Wind wehte über Bochum und dunkle Wolken dräuten und die Fotografen warteten, bis auch noch die Werksuhr fünf vor zwölf zeigte. Sie können es nicht mehr sehen. Sie wollen nicht.
„Wir sagen ,Scheiße' und machen weiter”, sagt einer; es muss ja weitergehen, das ganze Jahr schon und schon länger, „seit 2004 ist doch nie mehr Ruhe eingekehrt. Schlechte Stimmung ist sowieso.” Ob sie besorgt sind, fragt jemand. „Waren wir schon immer.” Innerlich, gesteht einer aus der Reparatur, „habe ich das sogar fast schon erwartet. Dieses Hinhalten. Hätte doch längst alles über die Bühne sein können.”
"Macht nicht so ein Geschrei"
Bernhard Seiffert, der schon in Rente ist, kommt vorbei, „die sollen nicht so ein Geschrei machen”, sagt er, aber es schreit ja gar keiner mehr. Die Opelaner zucken mit den Schultern, murmeln etwas, dass sie sich „verarscht” fühlen und finden selbst das nicht mehr aufregend: „Man gewöhnt sich dran”, sagt Michael Schmidt. Falls da ein Fünkchen Hoffnung war – jedenfalls ist es jetzt weg.
„Ändern können wir sowieso nichts”, resigniert einer, der schon 20 Jahre dabei ist. „Im Endeffekt können wir eh nichts machen”, bestätigt Antonio Gonzalez. Ob er enttäuscht ist? „Enttäuscht bin ich schon seit Jahren”, eigentlich könne man dazu nichts mehr sagen. Aber dann fällt dem Kolonnenführer doch etwas ein: „Wir wissen, dass wir hier gute Autos bauen. Und das weiß GM auch, sonst würde sie uns nicht behalten wollen.” Oder? Die Umstehenden schauen zu Boden. „Ist eigentlich egal, wer uns nimmt”, hört man jemanden sagen. „Hauptsache, es tut jemand.” Der sechsfache Vater Gonzalez ist nicht ganz überzeugt: „Vielleicht, wenn die ein bisschen menschlich wären. . .”
Gegenseitig beruhigen
Aber das wäre viel der Hoffnung, so viel wagen die meisten gar nicht. Auch nicht die zwei, die in ihrer Pause zur Bude stürzen, zwei Bier pro Mann: „Das muss jetzt sein.” Ein Vertrauensmann beschreibt, wie es zugeht im Werk an Tagen wie diesen: „Es kommen die Horrorszenarien, Leute brechen zusammen, dann beruhigen wir uns gegenseitig, und es geht wieder von vorn los.” Aber diesmal, glauben sie, „werden sie bestimmt mehr abbauen. Kann sein, dass sie dichtmachen.”
Bochum war ja immer ein „Schließungskandidat”, bestätigt Betriebsrats-Chef Rainer Einenkel, der am Mittwoch noch nicht einmal mehr erstaunt war: „Bei GM haut mich nur noch wenig um. Die haben dauernd Überraschungen für uns, die wir nicht haben wollen.” Weshalb er verstehen kann, dass die Opelaner müde sind: „Ich weiß ja, mit wem ich streite. Aber die Mitarbeiter wissen nicht, mit wem sie streiten sollen; sie kommen, bauen Autos und gehen nach Hause mit Fragen.”
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Was am Mittwoch nicht anders war. Von der neuen Kehrtwende erfuhren die Opelaner aus der Zeitung, mehr Informationen gibt es erst heute: Um 14 Uhr spricht Jürgen Rüttgers an Tor 4. Konkretes wird er diesmal nicht verkünden können, die Belegschaft schon: „Die Beschäftigten”, sagt Einenkel in der Kälte, „lassen sich ihr Werk nicht schließen!” Hinter ihm knattern die gelben Opelfahnen im Wind. Die von GM, die hier im Sommer noch wehten, sind eingeholt. „Es geht wieder los”, sagt die Frau an der Bude.