Dortmund. Das Megaprojekt Phoenixsee droht Millionenlöcher in den Haushalt zu reißen. Der Dortmunder Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer hat das Problem lange verharmlost. Jetzt bestätigt er jedoch Finanzierungslücken.
Er ist das Vorzeigeprojekt Dortmunds, für seine Bedeutung wurde der Begriff „Leuchtturm” bemüht: der Phoenixsee. Dort, wo früher Stahl gekocht wurde, soll ein 25 Hektar großes Areal geflutet werden und eine Landschaft zum „Wohnen und Arbeiten am Wasser” entstehen. Doch das Vorhaben löst eine immer größere Kostenflut aus – und die war vorhersehbar.
Seit Dortmunds Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer und die Stadtwerke im Sommer 2004 sprichwörtlich in See stachen, versucht FDP-Ratsfrau Annette Littmann mit einer Kette kritischer Fragen, finanzielle Risiken des Projekts aufzudecken, das schon mit der Hamburger Binnenalster verglichen wurde. David gegen Goliath: In schöner Regelmäßigkeit prallte sie ab - mit ihrer jüngsten Anfrage landete sie einen Volltreffer.
Gutachten: mindestens
48 Millionen Euro Minus
In der zweiseitigen Antwort des OB heißt es, dass ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Dr. Bergmann Kauffmann & Partner zu dem Ergebnis kommt, dass selbst bei einer hundertprozentigen Vermarktung der Grundstücke immer noch ein Minus von 48 Millionen bleibt. Bei Gesamtkosten von 187 Millionen Euro. Wörtlich heißt es in dem 65-seitigen Dokument, das auf den 28. April 2004 datiert ist: „Die vorhandenen Risiken erscheinen... angemessen berücksichtigt; die Realisierung bedarf zur Abdeckung der Defizite öffentlicher Fördermittel.” Das Projekt rechnet sich nicht, selbst im günstigsten Fall bleibt ein dickes Minus in der Kasse der Stadtwerke, vermutlich aber auch der Stadt.
Das Gutachten birgt erhebliche Brisanz, denn es beweist, dass sowohl Langemeyer als auch der damalige Stadtwerke-Boss Harald Heinze der Öffentlichkeit hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit nicht die volle Wahrheit gesagt haben.
Als im August 2004 die Stadtwerke das See-Grundstück in ihren Besitz übernahmen, um das Projekt umzusetzen, verkündete Heinze: „Wir wollen ein rentables Geschäft daraus machen.” Noch ein Jahr später, am 28. Juni 2005, sprach er davon, dass er sich satte Einnahmen aus der Entwicklung des Phoenix-Sees verspreche.
Als Littmann im September 2006 vermutete, die Stadt bekäme am Ende eine dicke Rechnung präsentiert, wies Langemeyer das barsch zurück: „Das Grundstücks- und Vermarktungsrisiko liegt nur bei den Stadtwerken.” Und es gebe „keinen Anlass, von einem Risiko für die Stadt Dortmund ausgehen zu müssen”. Nur wenig später musste Langemeyer öffentlich eingestehen: Es gibt sehr wohl ein Risiko. Denn Heinze, der in seiner politisch aktiven Zeit immer als Taktiker bekannt war, ließ den Stadtwerken per Zusatzvertrag zusichern, dass sie nur für ein Minus in Höhe von 37,5 Millionen Euro aufkommen müssen. Für jeden zusätzlichen Cent muss am Ende die Stadt bluten. Langemeyer stellte auf Nachfrage fest, er habe gesagt: „Die Rechnung beim Projekt Phoenix-See wird am Ende gemacht.”
Interessantes Detail: Die komplette Abrechnung verschoben die Beteiligten ins Jahr 2017. So wird der Etat, den Langemeyer zu verantworten hat, nicht belastet. Sein Nachfolger muss mit den Kosten klarkommen.
Die drohen zur Flutwelle anzuschwellen. Die Berechnungen des Gutachtens gehen davon aus, dass der See im Jahr 2007 geflutet ist - inzwischen liegt man drei Jahre hinter dem Zeitplan. Grund: Der Erdaushub ist deutlich komplizierter und aufwändiger. Das Gutachten, in dem drei Erschließungsvarianten für das Areal durchgerechnet wurden, setzt für den Seeaushub und unterirdische Abbrucharbeiten rund 35 Millionen Euro an. Diese Summe muss man inzwischen verdoppeln. Selbst, wenn man knapp 20 Millionen Euro Fördergelder abzieht, steht bereits jetzt ein Minus von rund 70 Millionen fest. So stellt sich die Frage, warum das Land überhaupt das Projekt finanziell unterstützte.
Optimistische
Prognose
Denkbar, dass der Dortmunder Haushalt noch stärker belastet wird. Die Wirtschaftsprüfer gehen davon aus, dass sich über den Verkauf der Grundstücke 90,496 Millionen Euro erlösen lassen. Für Wohnflächen wurden 250 Euro pro Quadratmeter angesetzt, für Gewerbe 170 pro Quadratmeter. Littmann hält die Prognose für sehr optimistisch: „Das Gelände liegt in der Einflugschneise des Flughafens, für den es ja immer noch Ausbaupläne gibt. Verkaufsförderlich ist das nicht.” Darüber hinaus machen sich die Stadtwerke selbst Konkurrenz - mit einem Neubaugebiet in der Nähe eines Naturschutzgebietes. Die FDP-Frontfrau hält es nicht mehr für ausgeschlossen, dass am Ende eine rote Zahl in dreistelliger Millionenhöhe stehen wird.
Zahlen und Fakten: Der Phoenixsee entsteht auf dem Gelände des ehemaligen Stahl- und Eisenwerks Hermannshütte, dessen Historie bis 1828 zurückreicht. 2001 wurde die Anlage stillgelegt, Teile davon demontiert, nach China verschifft und dort wieder in Betrieb genommen.
Das Gelände hat eine Größe von 99 Hektar, 24 davon Wasserfläche. An den Ufern sind 1000 Wohnungen und Freizeiteinrichtungen geplant, es sollen 5000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Mit der Flutung des Sees soll im Herbst begonnen werden.