Wolfsburg. Der neue Trainer des Deutschen Meisters VfL Wolfsburg kann viel verlieren. Der Schatten seines Vorgängers Felix Magath ist lang - und manchmal lästig. Ein Interview mit Armin Veh.

Armin Veh kommt vom Trainingsplatz, Kamerateams umlagern ihn. Seine Laune ist gut, er nimmt sich Zeit, will aber auch wissen, für welche Sender die TV-Reporter arbeiten. Der neue Trainer des Deutschen Meisters VfL Wolfsburg wirkt locker und hat offensichtlich dennoch gerne alles unter Kontrolle. An diesem Freitag steht die erste große Prüfung an: Zum Saisonauftakt kommt ausgerechnet der VfB Stuttgart, mit dem Veh 2007 Meister wurde (20.30 Uhr/ARD und Sky live).

Herr Veh, sind Sie ein Zocker?

Veh: Ein Zocker? Was beinhaltet das?

Auf jeden Fall Risikofreudigkeit und einen gewissen Hang . . .

. . . zur Selbstvernichtung? Nein, dann bin ich es nicht.

Aber Sie wissen schon, warum ich frage?

Klar.

Wer nach dem Titelgewinn das Traineramt des VfL Wolfsburg übernimmt, hat viel zu verlieren.

Aber einer muss es ja machen, wenn derjenige geht, der Meister geworden ist.

Der VfL hat das offizielle Ziel ausgegeben, den Verein im europäischen Fußball zu etablieren und damit mindestens wieder Platz fünf zu erreichen.

Genau. Und das ist schon schwer genug.

Die Meistermannschaft ist zusammengeblieben, punktuell sogar verstärkt worden. Es wäre also auch möglich gewesen, sich die Titelverteidigung vorzunehmen.

In der letzten Saison hätte selbst Hertha noch Meister werden können. Nur Nuancen haben entschieden, dass es der VfL Wolfsburg geworden ist. Es gibt in der Bundesliga zehn Mannschaften, die um die ersten fünf Plätze spielen. Und deshalb sage ich klar, dass es utopisch und vermessen wäre, die Titelverteidigung als Ziel zu nennen. Und das ist kein Understatement.

Eine einzige Personalie, der Wechsel von Felix Magath zu Armin Veh, vermittelt den Eindruck, der VfL befinde sich im Umbruch.

Sagen wir es mal so: Es ist ja nicht normal, dass der Trainer nach dem Gewinn der Meisterschaft aufhört. Na ja, er hatte sich ja schon vorher für einen Wechsel entschieden, als er noch nicht wusste, dass er Meister werden würde. Es ist so: Jeder Trainer hat eigene Ideen. Ich habe sicher ein paar andere als der Felix.

Sie haben Machtfülle bekommen wie Ihr Vorgänger, Sie sind ebenfalls Trainer und Sportdirektor. Warum war das wichtig?

Wenn ich hier nur Trainer geworden wäre, hätte ich von vornherein etwas verloren. Die Konstellation gibt es ja sonst nirgends.

Doch, in Schalke.

Ja, jetzt. Vorher auch nicht.

Müssen bald alle Manager der Bundesliga um ihre Jobs bangen, weil die Trainer sie übernehmen könnten?

Mit Sicherheit nicht. Dieses Modell muss nicht überall funktionieren.

Nach dem Hype von 2006 um Klinsmann und der folgenden Fehleinschätzung der Bayern sind wieder erfahrene Trainer gefragt. Wie denken Sie darüber als Trainer, der nicht mehr jung und noch nicht alt ist?

Das hätte ich nicht besser ausdrücken können. Also, ich gehe da nie ins Extreme. Den ganzen Hype um die Philosophien von Leuten, die für sich in Anspruch nehmen, den Fußball neu zu erfinden, habe ich nie für gut befunden. Eines ist klar: Erfahrung ist enorm wichtig. Man muss trotzdem den Jungen auch immer wieder eine Chance geben, es ist nur die Frage: wo? Ein ganz Junger bekommt ja auch nicht auf Anhieb einen Direktorenposten bei einer großen Firma.

Beschreiben Sie bitte mal Ihren Arbeitsstil.

Früher habe ich außer Torwarttrainer alles alleine gemacht, da war ich Techniktrainer, Konditionstrainer, alles. Heute delegiere ich wesentlich mehr, um Energie für das Wesentliche zu behalten. Im Umgang mit der Mannschaft bevorzuge ich eine Mischung aus Nähe und Distanz.

Es ist leicht vorstellbar, dass es nerven muss, bei der Arbeit jetzt ständig mit Felix Magath verglichen zu werden.

Ich bin doch nicht so naiv zu glauben, dass diese Vergleiche nicht kommen. Aber: Ich bin ja auch nicht neu im Geschäft.

Sie haben Grafite und Dzeko, das beeindruckendste Stürmerpaar der Liga, und nun auch den Nigerianer Martins. Der VfL rüstet sich für die Champions League.

Wir tanzen auf mehreren Hochzeiten, wir brauchen drei Stürmer dieser Klasse.

Da droht auch Konfliktpotenzial. Bisher musste kein Star auf der Bank sitzen.

Wenn man etwas erreicht hat, darf man sich nicht zurücklehnen. Konkurrenzkampf muss sein.

Und Sie sind dafür zuständig, dass Ärger ausbleibt.

Ich bin für alles zuständig.

Mit der Doppelbelastung auf höchstem Niveau kennt sich das Team nicht aus.

Nach einer Meisterschaft wird alles schwerer. Aber das ist ja auch eine riesige Herausforderung. Champions League ist der qualitativ beste Wettbewerb, da kommt keine EM und keine WM mit. Keiner darf sich damit zufrieden geben, Trikots von prominenten Gegenspielern abzuholen.

Dzeko wollte zum AC Mailand wechseln, Sie haben es nicht gestattet. Er hat sich dann klar zum VfL bekannt – also kein Problemfall?

Definitiv nicht. Er hat das sehr gut aufgenommen. Seine Berater waren allerdings auch vernünftig, das gibt es noch.

Es ist also manchmal sinnvoller, auf 30 Millionen Euro zu verzichten?

Wir haben gar nicht erst eine offizielle Anfrage zugelassen.

Das Auftaktspiel gegen Ihren Ex-Verein VfB Stuttgart ist wie gemalt für Sie, oder?

Ich hatte es nicht anders erwartet. Ich dachte mir: Entweder kommt der Felix mit Schalke oder mein ehemaliger Klub. Das erste Spiel sollte ja eine gewisse Brisanz haben – das ist geschafft.